Donnerstag, 12. Juli 2007

Kirchenzoff

St. Petrie Kirche OldenburgAn der Religionsfront herrscht wieder Partystimmung. Zur Abwechselung nicht "Katholiken gegen Islam", sondern heute mal "Katholiken gegen Protestanten". Der Vatikan, bekannt für feinfühlige und der Gegenwart der Welt in der wir Menschen leben sehr angepassten und vor allem zukunftsorientierten Art, hat ein Schreiben veröffentlichen lassen. Nach dem Verständnis der Bibel beruft sich der Papst auf die Position des Stellvertreter Gottes und das wiederum wird aus der Bibel abgeleitet. In Matthäus, Kapitel 16, 18-19 heißt es:
"Du bist Petrus, und auf diesen Fels werde ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein."
Da sich die Päpste in Rom als direkte Nachfolger Petrus verstehen, ist klar, dass sie diese Passage auch auf sich beziehen. Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten, denn der Alleinvertretungsanspruch des Papstes mit allen Konsequenzen (u.a. auch dem Anspruch auf Unfehlbarkeit) hat schon zu diversen Spaltungen innerhalb dieser Glaubensgemeinschaft geführt. Aus solchen Abspaltungen gingen nicht nur die Anglikanische Kirche und die Evangelische Kirche hervor, sondern auch die sogenannten Ostkirchen (den meisten vielleicht als "Russisch-Orthodoxe Kirche" bekannt). Der Vatikan weist in seinem Schreiben explizit darauf hin, was bereits im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) festgelegt wurde:
"Diese ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen... Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, subsistiert in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird."
Im Klartext: Die Anderen haben zwar auch ganz nette Clubs, aber unser Club ist der einzig Wahre. Aber damit nicht genug. Besonders in Richtung der Evangelischen Kirche legt der Vatikan noch mal richtig nach und betont, dass "Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind" keine Kirchen im Sinne des Verständnisses der Katholischen Kirche sind. Auch hier beruft man sich auf die brandaktuellen Erkenntnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und warum ist die evangelische Kirche keine Kirche? Das ist die Frage, bei deren Beantwortung ich laut lachen musste. Der Vatikan verkündet:
Warum schreiben die Texte des Konzils und des nachfolgenden Lehramts den Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind, den Titel „Kirche“ nicht zu?

Weil diese Gemeinschaften nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen und ihnen deshalb ein wesentliches konstitutives Element des Kircheseins fehlt. Die genannten kirchlichen Gemeinschaften, die vor allem wegen des Fehlens des sakramentalen Priestertums die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, können nach katholischer Lehre nicht „Kirchen“ im eigentlichen Sinn genannt werden.
Zu Deutsch: Weil sich die Evangelische Kirche nicht in irgendwelchem mystischen Spökenkrams verhüllt und die Priester nicht auf Grundlage irgendwelchen Hokuspokus ernennt, ist sie keine Kirche. Im Umkehrschluss ist eine Kirche nur das, was sich dem Mystizismus verschreibt und seine Anhänger dementsprechend behandelt.

Mal ehrlich: Muss es einem nicht irgendwie peinlich sein zuzugeben, dass man Anhänger einer sogenannten Glaubensgemeinschaft ist, die einerseits behauptet zu wissen, was die Person Jesus aus Nazareth wirklich gewollt hat, sich auf beweisbare Fakten beruft und sich als Hüter der einzigen Wahrheit versteht, sich dann aber andererseits hinstellt und den Begriff "Kirche" an einem Mysterium festmacht?

5 Kommentare:

  1. Kirche ist vielleicht auch ein Gebäude. Aber vielmehr ist Kirche eine Ansammlung von Menschen gleichen Glaubens.

    Das was der Vatikan seit der Reformation da betreibt ist nichts anderes als Hexenverbrennung nur ohne Feuer. Eine - für meinen Geschmack - zu enge Auslegung des ersten der zehn Gebote der christlichen Kirchen. Und für mich sieht es ein wenig so aus, als ob man hier etwas betreiben würde, was im Behördendeutsch "Amtsanmaßung" genannt werden würde.

    Ich akzeptiere ja, dass es für die Verwaltung usw. ein paar Leute geben muss. Ich akzeptiere ebenfalls, dass sich eine gewisse Hierarchie bilden muss unter denen, die uns in diesem Glauben unterrichten sollen. Ich nehme aber nicht hin, dass ich in diesen Leuten einen gleichwertigen Verteter anbeten soll. Genau das aber impliziert das vom Vatikan zelebrierte Theater: Vatikan = Gott auf Erden. Und das kann nicht richtig sein, dass man sich das Recht herausnehmen will, den Verteter mit dem Boss auf eine Stufe zu stellen. Verteter sind Mittler, keine Ersatzherrscher.

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  2. Beachte die Details. Der Vatikan nimmt auch für sich in Anspruch als einziger zu wissen, was Jesus "wirklich gewollt" hat und in diesem Sinne zu handeln. War es nicht so, dass bereits Jesus als "Gottes Sohn", und damit dessen Stellvertreter war? Damit wäre der Papst ja auch "nur" der Stellvertreter des Stellvertreters. Wer sagt, dass es da nicht noch jeweils einen für die anderen beiden Komponenten der "heiligen Dreifaltigkeit" gibt?

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  3. kein wunder das man auf die lutheranhänger nicht gut zu sprechen ist, schließlich war die kirche und damit die welt noch in ordnung bis der spielverderber kam.

    sündigen und sich dann davon freikaufen und nicht diesen religiösen einheitssozialismus zu dem man dann nach außen hin gezwungen wurde um weiterhin fleißig kohle zu scheffeln.

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  4. naja...
    ich habe mich darüber auhc mit einem kollegen unterhalten. schon früher. wir reden über sowas immer, wenn wir etwas zeit haben. also wenn wir beispielsweise zusammen zu einem kunden fahren. er ist übrigens dipl. phil. bla.

    Seiner Meinung nach ist die Katholische Kirche seine Wahlkirche, wäre er nicht Ev-Luth getauft und würde an den Mist garnicht glauben. Allerdings, so sagt er, das der Vorteil der Katholischen Kirche durchaus der ist, das die Katholiken selbst die Bibel als Geschichtensammlung nicht als bares Wort nehmen, sondern sie Interpretieren. Jeder Katholische Pfarrer ist ausgebildet, dieses zu tun. Das ist bei den Protestanten nicht der Fall. Hier wird man quasi mit der Bibel alleine gelassen, und muss selbst für sich alles herausfinden.

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  5. @nec: Vielleicht ist aber genau dieser Weg der bessere Weg, seinen Glauben auszuüben. Wenn einem das Denken von kath. Geistlichen abgenommen wird, läuft es darauf hinaus, dass man seinen Grips nicht ehr anstrengen muss, um selber dahinter zu kommen, was denn nun mit Buch sowieso, Kapitel da und da, Vers XY gemeint sein könnte.

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