Sonntag, 18. März 2007

Schicken Sie eine SMS...

Wie war das doch gleich? Der Leistungsvergleich der Schüler europäischer Schulen, in aller Munde als 'PISA'-Studie bekannt, hat gezeigt, dass deutsche Schüler im internationalen Vergleich definitiv am unteren Ende der Skala rangieren.
Mit einfachen Worten ausgedrückt: Deutsche Schüler wissen weniger, als sie könnten, weil das Wissen nicht adäquat vermittelt wurde. Die Gründe dafür sucht man - nicht zuletzt - im Bildungswesen selbst. Doch ich vermute, dass da noch ganz andere Faktoren eine gehörige Rolle spielen. Und einer dieser Faktoren geht mir mittlerweile gehörig auf den Geist.

Ich empfinde es als Beleidigung, wenn mir das Fernsehprogramm jedwedes Wissen abspricht oder zumindest ein Bildungsniveau eines Kleinkindes bescheinigen will. Die Rede ist von Gewinnspielen im Fernsehen.

ProSieben etwa. Da wird im Rahmen einer Sendung ein Beitrag über Musikinstrumente aus Eis gezeigt. Unter Nennung eines Preisvergleichsportals im Internet steht anschließend ein Multimedia-Gerät für ein Gewinnspiel zur Disposition. Die Wissensfrage indes stellt den Höhepunkt der Quizkultur dar, eine extreme Herausforderung, die wirklich alles bisher Gelernte abverlangt:
Was ist Eis?

a) gefrorenes Wasser
b) gasförmiges Wasser
Gezeigt wurde dieser Frage nebst der dazu gehörenden, nicht eben günstigen Telefonnummer, unter der man die richtige Antwort geben soll, in der Sendung "Wunderwelt Wissen".

Zunächst dachte ich "Das kann nicht ernst gemeint sein, oder?", doch nach kurzem, eher ungläubigem Staunen war nicht von der Hand zu weisen, dass das kein schlecht geratener Witz war. Im Gegenteil: Es war nur einer von vielen Beiträgen für die Volksverdummung, die mir nur bis dahin nicht sonderlich aufgestoßen waren. Im Fernsehen, zumindest in Deutschland, scheint es mit den Anforderungen an das Wissen der Zuschauer nicht besonders gut bestellt. War früher für eine Quizsendung noch echtes Wissen gefragt ("Der große Preis", "Rate mal mit Rosenthal" etc.) und Unterhaltung eher ein Nebeneffekt, wenn Teilnehmer mit echtem Wissen brillierten, so sind es heute eigentlich nur noch "Multiple-Choice-Fragen" zu finden, die zwar auch ein gewisses Maß an Wissen erfordern, doch in viel zu vielen Fällen sind die Antworten durch Deduktion und Raten richtig zu beantworten.

Sendungen wie "Wer wird Millionär" oder die nachmittäglichen Quizsendungen nach gleichem Strickmuster sind noch für die Elite kennzeichnend. Hier wird wenigstens ein bisschen Wissen gefordert. Anders dagegen die allgegenwärtige Quizfragen in nahezu *jeder* Sendung. Wissenssendungen, Dokumentationen und ähnliches wird durch Quizfragen nach dem Schema "Was ist...?" mit zwei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, von denen die eine die Richtige, die andere eine Beleidigung nicht nur für meinen Intellekt darstellt.

Das, so möchte man meinen, ist schwer zu überbieten. Dachte ich auch, ja. Bis ich mehr oder weniger zufällig mal über eine Show auf "9live" oder DSF oder irgend einem anderen Spartensender gestolpert bin. Hier wird so gekonnt das Volk für Dumm verkauft, dass man für die Brillianz der Umsetzung eine Auszeichnung angebracht wäre.

"Nennen Sie Begriffe, die mit '..Ball' enden" etwa. Zehn verschiedene Begriffe werden gesucht, dotiert mit unterschiedlich hohen Gewinnen, je "exostischer" der Begriff ist. "Fußball", "Kopfball", "Opernball" und so weiter - naheliegend und mit 50 bis 100 Euro belegt. Zwei Stunden lang ertönt, gleich einem Metronom, im immer gleichen Abstand der Satz "Gleich schlägt der Hot-Button zu" und der Moderator grinst einen grenzdebil an. Wenn überhaupt eine Lösung präsentiert wird und die Sendung nicht ohne Auflösung zu Ende geht.

"Leute, es ist sooo einfach! Los jetzt, anrufen oder eine SMS schicken! Die Leitungen sind offen!" - und am Ende der im Alltag so gebräuchliche Begriff "Wohnzimmerball" - auf der Liste der am häufigsten benutzen deutschen Substantive in etwa auf gleicher Höhe mit Rekonvaleszenzerscheinung" (ohne jetzt Mediziner beleidigen zu wollen, die sicherlich häufiger mit Genesung zu tun haben, als mit Wohnzimmerbällen). "Leute es wäre so einfach gewesen, ehrlich. Da habe ich schon bessere Sendungen erlebt." Der eloquente Moderator lässt sich über das mangelhafte Wissen seiner Zuschauer aus, weil diese den mit 1000 Euro dotierten Begriff nicht erraten haben. Und mal ehrlich: Wer von uns hat denn noch nie einen Wohnzimmerball erlebt/gesehen/gehabt/gehört? Na also...

Ich sollte solche Telefonspiele anbieten. Die damit zu verdienende Kohle ist bei ausreichender Dreistigkeit kaum einzuschätzen. Oder ich denke mir für ProSieben-Sat1 die Fragen für die Gewinnspiele in den täglichen Sendungen aus. Und ich beteilige mich an den Telefongesellschaften, die für die fernmündliche Abwicklung verantwortlich zeichnen.

Volksverdummung. Das Niveau der Fragen, die Anforderungen an das Wissen (Allgemeinwissen wie Spezialwissen), die Fragwürdigkeit solcher - ich nenne das mal unter Räuspern "Gameshows", all das lässt mich nicht daran glauben, dass das private Fernsehen ein Interesse daran hätte, Bildung und Wissen zu vermitteln. Hier geht es um simpel gestrickte Unterhaltung, um seichte Berieselung, die Fehler und Faulheit verzeiht, um Schokolade für Augen und Ohren. Ein gewisser Ray Bradbury hatte dazu mal eine interessante Vision in "Fahrenheit 451", einem Buch, in dem das Lesen von Büchern ein todeswürdiges Verbrechen darstellt und die Dauerberieselung mit Fernsehen eine Hauptrolle im Alltag spielt. Wer das Buch gelesen hat, wird mir vielleicht nachempfinden können, was ich derzeit über die Qualität des Fernsehens denke.

Wie so oft, wenn ich mal einen Text verfasse, gibt es auch ein Fazit: Fernsehen macht doof. Aber nicht mit mir. Ich werde meinen Fernsehkonsum in Dosis und Qualität in Zukunft etwas anders ausrichten.

10 Kommentare:

  1. Gibts sowas eigentlich auch bei den Öffentlich-rechtlichen? Also GEZ-finanziert?

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  2. Sollte es soweit kommen, melde ich meinen Fernseher endgültig ab. Aber noch ist es nicht soweit.

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  3. formate wie galileo und co sind leider auch nix anderes als werbeshows. die frechheit dabei ist nur dass es als wissenssendung verkauft wird. die kommerzialisierung der "bildung" im privatfernsehen:o

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  4. mein beleid, schaf - du bist voll drauf reingefallen. der wahnsinn hat methode.

    eben die einfachheit der fragen soll dich so aufregen. und du wirst lachen: bei einem freund von mir hat genau dieser effekt gezogen - und er hat (nach gefühlten stunden des zusehens) angerufen.

    und achja: es war gerade hot-button-phase. wer sowas schaut, kann nicht alle auf dem zaun haben. für mich sind diese game-dinger der legitime nachfolger der tittenhotlines, die sich entgegen aller erwartungen nach wie vor im dsf und auf anderen qualitätssender halten.

    mein tipp: kein fernseher. ich habe hier seit dem umzug keinen fernseher mehr in der nähe des rechners und schaue unter der woche überhaupt nicht mehr. lediglich morgens zum wachwerden das frühstücksfernsehen auf ard. und seit dem geht's mir wirklich besser.

    alleine schon, weil man die schwachsinnige werbung nicht mehr ertragen muss. aber das wäre vielleicht ein thema für einen anderen beitrag :)

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  5. @sEIGu: Genau das mit der Trennung von Fernseher und PC wird ab Juni, wenn ich in der neuen Wohnung bin, auch bei mir wirken - hoffe ich jedenfalls ;-)

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  6. Ich habe hier jetzt - aus eigentlich dem Grund - schon ewig keinen Fernseher mehr in meinem Zimmer - im Wohnzimmer steht einer, den ich zum gelegentlichen (= höchstens 1x im Monat oder so) 'Nette-Spielfilme-Gucken' nutze, ansonsten dient der nur als Bildschirm für die Spielkonsole.

    Selbst als ich noch einen Fernseher hier stehen hatte, habe ich den nie benutzt, und ich fühle mich auch nicht wirklich so, als hätte ich was verpasst. Serien und Shows haben schon immer keinen Unterhaltungswert für mich gehabt, oder zumindest nur solchen, den die elenden Werbepausen direkt kompensieren.

    Naja, ich kann so immerhin noch guten Gewissens meine Augenbraue hochziehen, wenn dann Leute anfangen über irgendwelche trashigen Serien zu diskutieren... ;)

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  7. der wahnsinn macht übrigens auch nicht mehr vor dem radio halt...

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  8. @Thema: Mein Tipp ist das Fernsehprogramm nachschlagen und wenn kein Spielfilm kommt die Fernbedienung weit weg schmeißen :)

    @Vorschreiber: Viel schlimmer am Radio ist das 5min vor und nach dem Verkehrsfunk auch noch mit in das Sendesignal fallen...heißt wenn ich im Auto unterwegs bin (immer mit CD) muss ich mir zumindest vor den Verkehrsnachrichten das dämliche Geseier anhören und nachher manuell wegschalten...

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  9. Das ganze hat aber rechtliche Hintergründe, nicht mehr und nicht weniger, denn:

    Um daraus ein Geschicklichkeitsspiel zu machen darf nicht der Zufall (respektive Hotbutton ;) ), sondern körperliche und geistige Fähigkeiten über Gewinn oder Verlust entscheiden. Hat demnach der Durchschnitt der teilnehmenden mit hoher Warscheinlichkeit in der Hand, durch Geschicklichkeit den Ausgang des Spiels zu bestimmen, liegt kein Glücksspiel, sondern ein Geschicklichkeitsspiel vor.
    Um auf der sicheren Seite zu sein, nehmen sie halt Fragen die jeder dreijährige beantworten kann.

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