Da tingelt man am ersten wirklich schönen Sonntag des Jahres durch die City und was rennt einem vor die Linse? Genau! Eine NPD-Demo inklusive Antifa-Gegendemo und Polizei. Love, Joy und Happyness!
Insgesamt vielleicht 30 Sympathisanten und Anhänger der rechten NPD standen ungefähr 60 Sympathisanten und Anhängern des Linken Lagers gegenüber, getrennt durch mindestens die dreifache Übermacht Polizei. Ein skuriles Bild, das jedoch die Lage sehr entspannte. Und dazwischen fast so viele Medienvertreter, wie Rechte und Linke zusammen.
Die Parolen waren selten wie "kreativ". Die Linken skandierten ein "Ihr - habt - den - Krieg verlor'n, ihr habt den Krieg verlor'n..." und bewiesen damit entweder einen erstaunlichen Mangel an oder ein sehr ausgedehntes Zeitgefühl, denn wohl keiner der anwesenden NPD-Leute dürfte selber an irgendeinem Krieg teilgenommen haben. Naja, vielleicht lag das ja am Konsum bewustseinsverändernder, regenerativer, pflanzlicher Produkte, deren Aroma mehr als deutlich über dem Linken Block zu schweben schien.
Die Rechten beantworteten die Parolen der Linken durch ein nicht weniger kreatives "Freiheit". Was wohl darauf hinweisen sollte, dass die Rechten auch nur ihr in der Verfassung garantiertes Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen wollten. Jedenfalls wurden die Rechten mehr und mehr "zusammengepfercht" und schließlich wohl zum Schutz vor dem durchaus nach Klopperei gierenden schwarzen Block in die Sicherheit einer Nebenstraße geleitet.
Dort durften sie dann wohl ihre "Kundgebung" unter massivem Polizeischutz abhalten. Von beiden Seiten war die Straße sauber abgeschirmt und niemand konnte rein. Das hinderte natürlich niemanden daran, sich das Gehabe aus mehr oder weniger Nähe zu geben. Die autonomen bewisen an dieser Stelle ein interessantes Verständnis von Freiheitsrechten. Während die Rechten keine Scheu hatten, sich frei und offen zu zeigen und zu ihrer Gesinnung zu stehen, hatten die Linken eine schon fast panische Angst vor allem, was auch nur ansatzweise nach Kamera aussah.
Sonnenbrllen, Schals, Transparente, alles, was irgendwie zum Verhüllen der eigenen Person und zum Verschleiern der eigenen Identität geeignet war, wurde auch benutzt. Warum eigentlich darf niemand wissen, wer da jetzt so eigentlich alles der Meinung ist, dass Faschismus kein Grundrecht, sondern ein Verbrechen ist? Genau das war nämlich der Slogan auf dem Transparent der Autonomen, das sie - einem antifaschistischem Schutzwall gleich - vor sich her trugen, um sich wie ängstliche Schafe geballt dahinter zu verkriechen.
Die Autonomen hatten auch überhaupt keine Hemmungen davor, ihre "Bodyguards" loszuschicken und Vertreter der Medien, aber auch Privatpersonen "freundlich zu bitten", doch gefälligst nicht die friedlichen Linken abzulichten, sondern sich auf "die Faschisten und ihre Gesinnungsgenossen, die Bullen" zu konzentrieren. Nunja. Extremisten jeder Coleur sind nicht dafür bekannt, dass sie nachdenken, geschweige denn, dass sie Ahnung haben von dem, was sie da tun und fordern.
Immerhin: Die Partei "Die Linke" trat als einzige politische Gruppierung offen in die Opposition zu den Rechten und suchte den Dialog - so sich denn jemand fand, der ihnen zuhören wollte. In Sachen Polemik und Sinnfreiheit nahmen sich auch diese Damen und Herren nicht viel, so dass nicht eben wenige Passanten kopfschüttelnd vor der irgendwie grotesken Veranstaltung flüchteten, um das Wetter zu genießen. Ohne politischen Extremismus gleich welcher Art.
Trotz allem: Ein lehrreicher Nachmittag, denn die Linken forderten Maßnahmen des Faschismus, um ihnen nicht genehme Meinungen zu unterbinden, während die Rechten nach den Schutzmechanismen des ihnen verhassten liberalen Grundgesetzes riefen, um sich vor ihren "Feinden" zu schützen.
Ob beiden Seiten klar ist, wie nah sie in solchen Situationen dem jeweils gegenüberliegendem Lager sind? Wahrscheinlich nicht.
Sonntag, 11. März 2007
7 Kommentare:
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Danke für dieses nette Beispiel politischen Aktivismus` in Deutschland..fein und hintergründig geschrieben..weiter so!
AntwortenLöschenFeiner Artikel! Gefällt mir sehr gut.
AntwortenLöschenWobei: Dass viele Linke auf Antifa-Demos ungern fotografiert werden, hat wohl den Grund, dass viele befürchten im Nachhinein Ärger mit den Rechten zu haben. Mit der Demo an sich hat die Vermummung und die Aversion gegen Kameras wohl nichts zu tun.
Zu der Frage, warum die linken Gegendemonstranten eine Aversion gegen Fotos haben, habe ich hier ein schönes Beispiel für Dich, mein lieber Adger:
AntwortenLöschenhttp://freiheitfuermatti.com
Abgesehen von meiner etwas ;-) von Deiner Sicht dieser Demo abweichenden Meinung frage ich mich, warum im Nachtschattenreich-Forum, in welchem Du ja auch aktiv bist, in einem Thread bzgl dieses versuchten NPD-Aufmarsches Diskussionteilnehmer teilweise ganze Absätze Deines Artikels übernehmen und dies als eigene Denkleistung ausgeben. Da wäre ein kritisches Wort sehr erfreulich, wo Du doch sonst auch Wert auf geistige Eigenleistung legst.
Weil da irgendwelche Leute der Meinung sind, sie müssten unbedingt mit dem Prinzip "Auge um Auge" Selbstjustiz üben und dafür völlig berechtigt in den Knast wandern, sind alle Linken per se nicht dazu in der Lage zu ihrer eigenen Meinung zu stehen? Krude Logik, aber sei es drum. Sympathien ernten die Autonomen dafür eher nicht. Auch auffällig: Wieviele Demonstrationen mit Beteiligung "linksautonomer Gruppen" eskalieren? Wieviele Demonstrationen ohne diese Gruppen eskalieren? Aber Schuld sind ja immer "die Anderen" und das Establishment und so weiter und nie man selber. Das Problem dieser Gruppen ist nicht ihre "Sichtweise" oder ihre Meinung. Das Problem ist ihre militante und gewaltbetonte Art, diese um jeden Preis durchsetzen zu wollen, besonders auf Kosten anderer und deren Rechte. Genau dieses Defizit in der Logik des Vorgehens werfe ich pauschal "den linken Gruppierungen" vor und deshalb bin ich eher bereit, ein noch sehr viel härteres Durchgreifen zu unterstützen, als die Kuschelpädagogik mancher friedliebender Politiker, die in dem Glauben leben, mit Singkreisen und Teestunde können man schwarzvermumten Steineschmeissern soetwas wie "Einsicht" oder "Rechtsempfinden" beibringen.
AntwortenLöschenHast Du Dir die Beiträge der von mir verlinkten Website eigentlich mal durchgelesen? Offensichtlich nicht, denn sonst wüßtest Du wohl, das sogar schon die ganze Anklage gegen die Person, um die es dort geht, auf äusserst wackeligen Füssen steht.
AntwortenLöschenUnd damit sehe ich mich wieder mal in der üblich beschissenen Lage: Wider die Toleranz gegenüber Rechts streiten und mich damit selbst als links zu outen, und auf der anderen Seite teilweise Leute verteidigen zu müssen, um deren engstirnige Sichtweise ich wohl weiß. Lassen Sie mich erläutern, Richter Fallbeil: Auch aus Deinem Beitrag spricht die Pauschalisierung linken Widerstands gegen rechte Strukturen. Die sind alle gewaltbereit und gehören niedergeknüppelt, so ungefähr ist es doch, oder nicht!? Und die Rechten sind eigentlich harmlos und würden schon keinem was tun, wenn man sie nur nicht ärgern würde??? Interessant, denn das behauptet nicht mal der Verfassungsschutz...
Und ich armes kleines Würstchen stehe dann da, auf der einen Seite die 300%igen beinharten und randvollen Möchtegern-Antifas, die natürlich die einzigen und wahren Antifaschisten sind. Und auf der anderen Seite die Nazi-Verharmloser, die ihre Affinität zu rechtem Denken hinter intellektuellen Formulierungen verbergen. Denn wir sind ja alle so tolerant,lacht der getarnte Spießbürger.
Ich werde also zwingend gewalttätig werden müssen, um Deiner nicht minder kruden Logik zu folgen. Denn links ist nun mal so. Mist, wo ich doch so ein lieber Kerl bin. Naja, wat mutt, dat mutt!
"Auch aus Deinem Beitrag spricht die Pauschalisierung linken Widerstands gegen rechte Strukturen."
AntwortenLöschenIrrtum. (Nicht nur) Ich kritisiere eben nicht den Protest, ich kritisiere die Methoden.
"Die sind alle gewaltbereit und gehören niedergeknüppelt, so ungefähr ist es doch, oder nicht!?"
Wieder falsch unterstellt. Gewalt - egal von welcher Seite - ist nicht zu tolerieren und muss verhindert werden. Gelingt das nicht, muss sie bekämpft werden, denn niemandem steht es zu, seine Meinung mit Gewalt durchzusetzen und so andere zu gefährden oder zu schädigen - das politische Lager ist dabei vollkommen unerheblich. Die (eigene) Erfahrung zeigt allerdings, dass insbesondere im linksautonomen Lager keinerlei Bereitschaft auch nur zur Diskussion über den Gewaltverzicht bei Demonstrationen herrscht.
"Und die Rechten sind eigentlich harmlos und würden schon keinem was tun, wenn man sie nur nicht ärgern würde?"
Du kennst zu wenige der Beiträge von mir zum Thema "Faschismus" gerade hier auf Tapirherde, sonst wüsstest Du, wie albern diese Unterstellung ist. Oder kennst Du sie und willst bloß polemisieren?
"Denn wir sind ja alle so tolerant,lacht der getarnte Spießbürger."
Toleranz gegenüber den Grundrechten und der Tatsache, dass sie allen zustehen, ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Wer an diesem Prinzip sägt, sägt an der Demokratie selbst. Das Grundrecht auf eine freie Meinung und sie äußern zu dürfen ist einer der elementaren Stützpfeiler des Systems, das jedem hier die Möglichkeit überhaupt einräumt, auch Systemkritische und sogar vielleicht abwegige Gedanken denken und diskutieren zu können. Die Amerikaner - so sehr man sie in vielen anderen Punkten kritisieren kann und soll - haben das auf den Punkt erkannt:
"Censorship is the deadly enemy of freedom and progress. The plain language of the Constitution forbids it."
Und daraus folgt die so einfache wie naheliegende Logik:
"The antidote to distasteful or hateful speech is not censorship, but more speech."
Am Ende geht es nicht darum, wer seine Meinung besser durchprügeln kann, sie besser mit den Mitteln der Gewalt auf Kosten anderer erzwingen kann, sondern wer die besseren Argumente hat. Das ist der Punkt, um den es geht, nicht der, ob die Linksautonomen mehr Recht haben mit ihrer extremistischen Meinung als die Rechtsradikalen mit ihrer nicht weniger extremistischen Vorstellung.
Ach, ich habe mich in Deinem vorletzten Kommentar an folgendem Teil gestoßen:
AntwortenLöschen"Das Problem ist ihre militante und gewaltbetonte Art, diese um jeden Preis durchsetzen zu wollen, besonders auf Kosten anderer und deren Rechte. Genau dieses Defizit in der Logik des Vorgehens werfe ich pauschal "den linken Gruppierungen" vor... "
Der Passus "pauschal "den linken Gruppierungen"" war es, welcher mich erheblich gestört und meinen Zorn geweckt hat. Denn letzhin decken linke Gruppierungen eben nicht nur das von Dir immer wieder explizit angesprochene linksautonome Spektrum, sondern ein wesentlich weiteres Feld an politischen Strömungen ab. Hier muß einfach eine Differenzierung erfolgen, denn sonst wirfst Du gewaltlose und gewaltbereite Demonstranten in einen Topf. Da Du ja sonst durchaus umfassende Kenntnisse aufweist, war ich über diese Pauschalisierung doch recht erstaunt (und hab das dann auch mal gemacht). Gerade mit solchen Verallgemeinerungen habe ich schon äusserst schlechte Erfahrungen gemacht (sprich: Die Haue für die anderen bekommen)und reagiere darauf sehr allergisch.
Denn ich kann den Satz
"Am Ende geht es nicht darum, wer seine Meinung besser durchprügeln kann, sie besser mit den Mitteln der Gewalt auf Kosten anderer erzwingen kann, sondern wer die besseren Argumente hat"
nur unterstreichen, auch wenn ich ein linker Demonstrierer bin.