Mittwoch, 20. September 2006

Alles halb so wild

FaschosErst wurde es ignoriert. Dann wurde es verleugnet. Danach wurde es wegdiskutiert. Als das nicht half, wurde es den anderen zugeschoben. Dann wurde es heruntergespielt. Und plötzlich ist es ein reales Problem, das alle angeht, das man aber nicht überbewerten darf. Eigentlich ist es ja gar kein Problem, aber ignorieren darf man es nicht. Zwar schon irgendwie bedrohlich, aber eigentlich doch gar nicht so schlimm.

Es geht um "die Rechten". Inzwischen sind in vier von 16 Landesparlamenten rechtsextreme Parteien vertreten. Die großen Parteien werden zwar nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Erfolge der Rechten marginal sind und dass die demokratischen Kräfte für eine Bereinigung der Lage sorgen werden. Auch wird gerne auf die fehlende politische Kompetenz der dort in den Parlamenten sitzenden Parteivertreter hingewiesen. "Kanonenfutter" und "Opfer" hört man häufiger aus dieser Richtung.

Gerne wird marginalisiert, bagatellisiert und das Problem als solches ignoriert. Ein Begreifen der Ursachen ist bei vielen Politikern und erstrecht nicht bei der Bevölkerung zu erkennen. Trotz der Vorfälle im letzten Wahlkampf. Oder sind die Schlägertrupps schon vergessen, die in Berlin und anderswo für "Spass mit dem Wähler" sorgten? Wie war das mit den Nogo-Areas? Was war das in Potsdam?

Es darf einfach nicht ignoriert werden, dass in vier Bundesländern der Rechtsruck der Bevölkerung bereits stark genug ausgefallen ist, um die Parlamente zu erreichen. Egal in welcher Region man nachfragt, überall berichten die Leute auf der Straße davon, dass "die Rechten" irgendwie stärker, häufiger und aggressiver auftreten, mehr "Präsenz" zeigen.

Rechte Parolen und Ideen werden zunehmend salonfähig. Angefangen bei "Arbeitslager für Ausländer / Arbeitslose / Andersdenkende" über offene Sympathie mit Diktaturen, der Darstellung, dass Links schlimmer sei als Rechts, nimmt die rechte Tendenz in den Köpfen zu.

Was tut die Politik dagegen? Abgesehen vom Abstreiten und Kleinreden werden immerhin den antifaschistischen Initiativen die Mittel gekürzt, politische Themen für die Rechten freigeräumt (die diese dann dankbar und effizient besetzen) und die Debatte um Parteiverbote angeschoben. Gerade letzteres scheint in den Köpfen der Parteianhänger eine Art "Endlösung" zu sein.

Hilft das wirklich? Hat das Verbot der anderen rechten Parteien dazu geführt, dass die Tendenz nach Rechts nachlässt? Hat - um ein entgegengesetztes Beispiel anzuführen - das Verbot der KPD dazu geführt, dass es keine "Linken" mehr gibt? Oder hat das Verbot der PKK zum Verschwinden der kurdischen Extremisten geführt? Brachte das Verbot diverser rechter Organisationen "die Wende"? Nicht? Na so eine Überraschung.

Aber wahrscheinlich können Politiker erklären, warum das Verbot einer Partei zwingend zum Verschwinden einer Ideologie führt, weil Ideen ja von ihrer Manifestation abhängig sind. Was sind schon vier Landesparlamente? Und was sind schon 1.048 tragische Einzelfälle in einem Monat?

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