Mittwoch, 3. Februar 2010

Was treiben die da eigentlich?

Betrachtet man in jüngster Zeit die Arbeit des Parlaments, besser gesagt die öffentlich wahrnehmbaren Resultate, dann stellt sich schon fast zwingend die Frage, ob die Damen und Herren gewählten Volksvertreter eigentlich auch nur ansatzweise wissen, was sie da tun - ob sie Ahnung davon haben, was sie da so vor sich hin regieren, mag man aus Angst vor der Antwort schon gar nicht mehr fragen.

Ein paar herausragende Beispiele der jüngeren Vergangenheit, die jedem einigermaßen an der Tagespolitik interessierten Leser geläufig sein sollten: Die Internetregulierung ("Stoppschilder"), mit der nach dem Willen der damaligen Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen (CDU), der grassierenden Kinderpornografie Einhalt geboten werden sollte. Zuerst mit brachialer Gewalt an allen Fachmeinungen vorbei zusammengeklempnert, dann wegen massiver Proteste nochmal revidiert irgendwie und irgendwie politisch halbwegs vertretbar durchgeboxt, wurde es von Präsident Köhler wegen Verfassungsbedenken nicht unterschrieben und zurück an das Parlament verwiesen. Dort hört man von dieser Gesetzesinitiative inzwischen nichts mehr und unter der Hand geben Politiker zu, dass man dieses Gesetz wohl totschweigen wird. Erneute Lesungen sind auf absehbare Zeit nicht vorgesehen.

Mit Hartz IV sollte die Versorgung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern "verbessert" werden. Das Gesetzt geriet inzwischen zu einem heftig umstrittenen Zankapfel, mit dem sich inzwischen sogar das Bundesverfassungsgericht befassen darf, denn die verankerten Regelsätze werden wohl von den wenigsten als auch nur annähernd akzeptabel empfunden - Anders einige Politiker. Unvergessen die Aussage von Herrn Thilo Sarrazin: "Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können." Aus Sicht der Betroffenen, aber auch aus Sicht vieler Experten ist die praktizierte Variante (die nicht viel mit der ursprünglichen Idee von Herrn Hartz zu tun hat) ein Totalausfall.

Arbeitsentsendegesetz, kurz: Leiharbeit. Zur völligen Überraschung der Politiker führte die Einführung legaler Leiharbeit nicht etwa zu einer Zunahme der Festangestellten, sondern zu einem in etlichen Branchen zu beobachtenden Rückgang derselben, weil Arbeitgeber erkannten, dass es doch viel billiger ist, wenn man seine fest angestellten - teuren - Arbeitskräfte feuert und sie anschließend über eine Zeitarbeitsfirma für nicht einmal die Hälfte des vorher gezahlten Lohns wieder einstellt. Kommentar der Politiker: "Das Entsendegesetz hat viele Arbeitsplätze gesichert." Mit anderen Worten: "Hupsi. So haben wir uns das irgendwie nicht gedacht."

Gesundheitssystem. Durch Einführung einer Quote für die Kosten für Medikamente, die den gesetzlich Krankenversicherten zustehen, sollen die Ausgaben im Gesundheitswesen reduziert werden. Nicht etwa, dass die gesetzlich versicherten Bundesbürger bereits jetzt einer massiven Kontingentierung der ihnen zugebilligten Behandlungsmethoden unterliegen (Wie lang war doch gleich die von der Kasse bezahlte Beratungsdauer beim Arzt? 8 Minuten je Fall?), jetzt soll auch eine Maximalsumme für die von der Versicherung bezahlten Medikamente eingeführt werden. Weil das ja Auswirkung auf die durch Medikamente entstehenden Kosten hat. Behaupten die Politiker jedenfalls. Völlig überrascht stellt man im Gesundheitsministerium fest, dass die Pharmaindustrie darauf hinweist, dass man dort herzlich wenig davon beeindruckt ist, wie viele Medikamente der einzelne Patient verordnet bekomme, an der Preisgestaltung würde das nichts ändern. Klar, Angebot und Nachfrage sind über den Preis miteinander gekoppelt, aber nur auf einem freien Markt. Dass auf einem (über-) reglementierten Markt Angebot, Nachfrage und Preis wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, scheint außerhalb der Vorstellungskraft einiger Politiker zu liegen.

Mehrwertsteuerreform. Pünktlich nach der Wahl erzwang die FDP eine Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie, speziell für Hotels. Weil dadurch die Hotelbetreiber in die Lage versetzt würden, ihre Preise besonders in grenznahen Gegenden konkurrenzfähig zu gestalten. Als Dank erhielt die FDP öffentlichkeitswirksam eine großzügige Parteispende aus der (ausgerechnet) Schweiz, die der Partei den rühmlichen Beinahmen "die Möwenpickpartei" eingebracht hat. Groß war die Verblüffung, als sich herausstellte, dass die Hotels zwar die Senkung der Mehrwertsteuer dankend annahmen, die Preise sich aber kein Stück nach unten bewegten, sondern im Gegenteil vielerorts sogar angehoben wurden. Noch größer die Verwunderung der Politiker, dass wegen der neuen Gesetzgebung besonders die Geschäftskunden zunehmend nur noch Übernachtungen buchen, das Frühstück aber weglassen. Grund dafür ist, dass das Frühstück die gezahlten Reisekosten jetzt nicht mehr mit vier oder fünf, sondern mit satten 15 Euro belastet und in vielen Fällen sogar gar nicht mehr verrechnet werden kann. Wie Fefe schrieb: "Zusammengefasst kann man also sagen, dass die FDP sogar für Korruption zu inkompetent ist."

Abwrackprämie. Jeder, wirklich jeder, der einigermaßen versteht, wie der Markt funktioniert, hat davor gewarnt, die Wirtschaft über Konsumkredite anzukurbeln. Das Beispiel der die USA jetzt heimsuchenden Wirtschaftskrise, die besonders der unter GWB betriebenen Geldpolitik geschuldet ist, hatte deutlich alle Risiken und deren Auswirkungen gezeigt. Die Idee der Politiker war, dass durch den gesteigerten Konsum die Automobilhersteller ja mehr Geld bekämen und das würden sie sicherlich wieder investieren, besonders im Standort Deutschland, denn diese Prämie käme ja besonders den in Deutschland ansässigen Automobilherstellern zugute. Wie man inzwischen weiß verzeichneten im vergangenen Jahr zwar nahezu alle Automobilhersteller in Deutschland ein nie dagewesenes Absatzplus. Unterm Strich jedoch stellte sich heraus, dass hinterher weniger Fahrzeuge aus deutscher Produktion zugelassen waren als vorher. Damit aber nicht genug: Das umgesetzte Geld verblieb nicht etwa in Deutschland, wurde dort nicht reinvestiert, sondern floss zum überwiegenden Teil entweder ins Ausland oder in die Gewinnausschüttung der Aktieninhaber und die eigentlich zu verschrottenden Pkw wurden nicht etwa tatsächlich verschrottet, sondern zum Großteil ins Ausland (Russland, Afrika…) verkauft. Mit saftigem Gewinn, versteht sich, denn der Weiterverkaufende musste ja nur den Transport vom Erlös abziehen, der Rest war Reingewinn: Die Abwrackprämie zahlte ja der Staat. Deutschland hat dafür jetzt eine Automobilbranche, die unter noch schlechteren Absatzbedingungen leidet als vorher und eine Menge hoch verschuldeter Privathaushalte, die sich - oft ohne wirklichen Grund - eine Automobilfinanzierung ans Bein genagelt haben. Kommentar der Politiker: "Die Abwrackprämie hat den Absatz von Pkw in Deutschland stark gefördert." - Und sonst gab es zu dieser Milliardeninvestition nichts Positives zu sagen?

Bildungssystem. Das Bildungssystem darbt in Deutschland vor sich hin. Mehrfach wurde Deutschland in aller Deutlichkeit gezeigt, dass unser Bildungssystem nicht nur marode und sozial ausgrenzend ist, sondern im Gesamtergebnis auch noch weit hinter seinen (beschränkten) Möglichkeiten zurück bleibt. Um der Wirtschaft dennoch schneller mehr Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, wurde nicht etwa das Bildungssystem so gestaltet, dass diesen Missständen Rechnung getragen wurde, sondern es wurde das Aushängeschild des deutschen Bildungssystems gekappt: Das Diplom. Ersetzt wurde es durch Bachelor und Master. Die Studiengänge wurden in der Länge massiv gekürzt und trotzdem wird in sehr viel kürzerer Zeit erwartet, dass die Studierenden dieselbe Menge Stoff lernen, verstehen und hinterher auch erfolgreich anwenden können. Groß war die Verblüffung der Politik, dass sich nicht nur die Wirtschaft massiv darüber beschwert, dass die aktuellen Absolventen der Universitäten keine Ahnung vom Fach haben, sondern die Zahl der Studienabbrecher irgendwie steigt. Hilflos versucht man irgendwie zurück zu rudern, kann aber nicht schon wieder zugeben, dass man sich da in etwas regulierend eingemischt hat, von dem man als Politiker so rein gar nichts versteht. Die Parole lautet: "Das biegen wir schon irgendwie grade."

Rechtschreibreform. Per Dekret wurde angeordnet, dass die Rechtschreibung in Deutschland zu optimieren und zu vereinheitlichen und überhaupt zu vereinfachen sei. Das Resultat ist gut dokumentiert und darf getrost als einer der größten Fehlschläge politisch motivierten Handelns der jüngeren Geschichte angesehen werden. Wie heute wirklich zu schreiben ist, wissen inzwischen oft nicht einmal mehr die, die diese Reform umgesetzt haben und von "Vereinheitlichung" kann angesichts der unüberschaubaren Vielzahl von Ausnahmen, parallel zueinander existierenden Alternativen und so weiter, beim besten Willen nicht die Rede sein.

Nichtraucherschutz. Rauchen ist gesundheitsschädigend. Das ist erwiesen. Die Folgen der auf Rauchen zurückzuführenden Erkrankungen sind in erster Linie eine massive Belastung des ohnehin schon stark gebeutelten Gesundheitssystems. Also wollten die Politiker hier einen Riegel vorschieben. Da man aber in der Politik verstanden hatte, dass die Steuereinnahmen durch Tabak und der an den Konsum indirekt gekoppelte Umsatz anderer Produkte (z. B. Feuerzeuge) einen ordentlichen Batzen Geld im Staatshaushalt ausmachten, konnte man das Rauchen nicht einfach so verbieten. Also suchte man sich eine Lösung, die den Politikern als Idealfall vorkam. Wo rauchen Leute? Natürlich! In der Kneipe! Also führte man ein Rauchverbot in der Gastronomie ein. Da aber die Gastronomie ihrerseits nicht blöde ist, wurde durch deren Lobby ein Klagelied angestimmt, das den Untergang des westlichen Abendlandes befürchten ließ. Die Politiker ließen daraufhin eine unüberschaubare Vielzahl Ausnahmen zu, die das Ziel des Gesetzes ad absurdum führten. Die Gastronomen ihrerseits fanden viele kreative Möglichkeiten, die von den unterschiedlichen Gesetzen eingeräumten Ausnahmen so umzusetzen, wie es ihnen in den Kram passte. Und der Erfolg der Sache? In nahezu jeder Kneipe wird irgendwie geraucht, ob nun erlaubt oder nicht interessiert niemanden, denn der Staat verzichtet darauf, die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen durchzusetzen. Der Bürger wiederum versteht das Gesetz nicht als Förderung oder Schutz, sondern - selbst Nichtraucher - als reine Gängelung. "Erfolg" geht irgendwie anders.

Die Liste der Fehlschläge könnte ich noch verlängern, wenn ich noch Zeit investieren würde (ich denke da zum Beispiel an den Jugendschutz und das Waffenrecht) aber es geht nicht darum, alle Pleiten zu katalogisieren, sondern darum, den Tenor und die Tendenz aufzuzeigen. Politik von heute gerät besonders in Deutschland immer mehr zur reinen Symbolpolitik, die in erster Linie vermitteln soll "wir Politiker, wir tun was" - oftmals ohne zu verstehen, was sie da eigentlich tun und ohne sich ernsthaft Gedanken darum zu machen, welche Folgen ihr Handeln haben wird, die nicht selten katastrophal sind. Die Politiker ihrerseits sind sich natürlich keiner Schuld bewusst, denn sie haben es doch nur gut gemeint und der Wähler habe sie ja zum Handeln gezwungen. Der Politiker leitet seine Existenzberechtigung nicht aus dem Erfolg ab, sondern daraus, dass er ja derjenige ist, der etwas tun muss, weil es ja sonst keiner kann. Das wiederum haben wir unserer Verfassung zu verdanken, in der verankert ist, dass die Parteien und nicht die Bürger Politik umsetzen.

Klar, jene vielleicht 200.000 Bundesbürger, die letztendlich die politische Führung über die übrigen rund 82 Millionen übernehmen, sind auf Machterhalt und Machtmaximierung getrimmt. Nicht auf Erfolg. Erfolg sehen Politiker darin, wenn sie und ihre Partei an der Macht bleiben. Oder zumindest irgendwie daran beteiligt sind. Aber ist das gut? Ich frage mich, ob das System "Demokratie", wie es in Deutschland umgesetzt ist, dem sich mehr und mehr ausprägenden Verhältnis der Bürger zur seiner Führung auf Dauer gewachsen ist. Je mehr sich von der Politik abwenden, resignieren, desto weniger beteiligen sich letztendlich an der Demokratie. Je weniger Beteiligung an der Demokratie, desto weniger ist das Ganze demokratisch. Je größer der Abstand zwischen Regierung und Regiertem, desto geringer die demokratisch legitimierte Rechtfertigung der Regierenden. Auf lange Sicht kann das nicht gut gehen.

Andererseits: Wie will "man" das System denn verbessern? Geht das überhaupt? Lässt sich eine Demokratie überhaupt verbessern? Der Dreh- und Angelpunkt dieser Frage sind die Politiker und Parteien. Denen ist gar nichts daran gelegen das System zu verändern, denn dazu müssten sie Macht abgeben, von der sie umfassend Gebrauch machen. Politiker entscheiden nicht nur über Gesetze, sondern auch über das Geld des Staates, entscheiden über das Besetzen von Ämtern, greifen in Firmen ein und so weiter und so fort. Eine Systemveränderung hätte zur Folge, dass Politiker ihre Macht teilen müssten und daran hat die Führungsriege nun mal so rein gar kein Interesse.

Es läuft darauf hinaus, dass ein Umbau des Systems erzwungen werden muss. Die Politiker werden von alleine gar nichts tun, im Gegenteil. Sie werden viel dafür tun, dass das System so bleibt und sind eher bestrebt, ihre Macht sogar noch auszubauen. Auf der anderen Seite müsste sich der Nicht-Politiker (der Normalbürger) überhaupt erst einmal mit Politik befassen, bevor ein wie auch immer gearteter Versuch einer Systemreform überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn denn das Resultat nicht so aussehen soll, wie die eingangs geschilderten Vollpleiten. Von den Politikern ist nicht zu erwarten, dass sie die Bevölkerung dazu ermutigen werden. Im Gegenteil. Das muss schon jeder selber für sich in die Hand nehmen. Wie es in einem Lied der Ärzte so schön heißt: "Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär' nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt."

Ob sich die Tragweite dieser Erkenntnis in der breiten Masse der Bevölkerung irgendwann mal herumsprechen wird? Und das bevor der Karren mit Schwung vor die Wand gefahren ist? Ich habe da begründete Zweifel.

4 Kommentare:

  1. Schön die Herde wieder aktiv zu lesen.

    Mach weiter so Adger...

    mfg

    kingsen

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  2. Aber jetzt wo Angie in die zweite Amtszeit eingearbeitet ist, wird doch alles besser, dachte ich?
    Ein weiteres großes Problem sehe ich übrigens da, dass viele hochkompetente Menschen sich das Elend anschauen und beim Abwägen zwischen bloß-weg-hier und da-müssen-wir-was-machen immer mehr zum ersteren tendieren. Es ist ja nicht so, als hätten wir niemenden der es besser könnte, doch allein die Strukturen der politischen Macht in Deutschland sind dermaßen abschreckend das diese Leute doch lieber wo anders ihr Glück suchen. Wobei auch die mediale Berichterstattung sehr zu diesem Zustand beiträgt. Sendungen udn Berichte (Polit-Talkshows, Satiremagazine, "gute Reportagen") werden zu Premiumsendezeiten zwischen 23 und 2 Uhr gesendet, halt da wo die breite Masse der arbeitenden Gesellschaft gerne fernsieht. Zeitungen sind immer gerne bereit einer Naturkatastrophe oder dem Sieg der Nationalmannschaft im Fussball gegen die B-Auswahl von Malta mehr Platz einzuräumen als den wirklichen Problemen der Zeit...
    Und abgesehen davon versteht es unsere Politik auch recht gut, das Elend so zu verpacken und zu kasschieren, dass niemand deswegen auf die Barrikaden gehen würde, denn es könnte ja schlimmer kommen.
    Und - oh welch Schande wäre es - man könnte ja scheitern bei dem Versuch, etwas zu ändern. JA UND?

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  3. Sag mal Adger, was hältst du eigentlich von der Piratenpartei?

    Die haben m.M.n. einige Antworten auf die von dir aufgezeigten Probleme.

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  4. Einige Ideen, die diese junge Partei verfolgen möchte, halte ich für zumindest interessant, andere für bedenklich. Was mich instinktiv von der Partei zurückschrecken lässt, kann ich gar nicht mal genau im Detail fest machen. Es sind Indizien, vielleicht Ahnungen, die bei mir keine echte Begeisterung aufkommen lassen wollen. Sei es das Verhalten seinerzeit bei jenem äußerst umstrittenen Kandidaten mit rechtsextremem Hintergrund, sei es das Auftreten in der Öffentlichkeit, das vollständige Fehlen von Konzepten in bestimmten elementaren Themenbereichen. Das (und anderes) wirkt auf mich nicht beruhigend oder begeisternd. Ich gestehe dieser Partei durchaus zu, dass sie neu ist und ihre Mitglieder die Realität des politischen Alltags erst lernen müssen. Darum beobachte ich die Entwicklung dieser Partei auch mit einigem Interesse.

    Ich traue dieser Partei allerdings unter den gegebenen Umständen auf absehbare Zeit jedoch keine Antworten auf die fundamentalen Fragen zu, die in der Tiefe der von mir hier angesprochenen Probleme liegen. Eines dieser Probleme besteht zum Beispiel darin, dass das politische System der Bundesrepublik Deutschland eben keine solche Demokratie ist, in der der Bürger die entscheidende, steuernde Macht im Staat ist, sondern eine Demokratie, in der die Parteien entscheiden und für ihre Entscheidungen nicht mal vom Bürger zur Rechenschaft gezogen werden können. Letztenendes können die Parteien in Deutschland den Volkswillen sogar komplett ignorieren und haben dafür rein gar nichts an Folgen zu befürchten. Ein aktuelles Beispiel ist der Einsatz der Bundeswehr. Obwohl Umfragen belegen, dass gut dreiviertel der Bevölkerung gegen den Einsatz sind, baut die Bundesregierung den Einsatz sogar noch aus. Die Bevölkerung kann dagegen rein gar nichts tun: Die Politik ist in ihrem Handeln nicht an den Willen des Volkes gebunden.

    Wahl setzt Auswahl voraus. In Deutschland beginnt bereits da ein schwerwiegendes Problem: Das Volk hat gar keine echte Auswahl. Beispiele dafür sind unter anderem die Entscheidung darüber, wer eigentlich zum Kanzler gewählt wird. Den Kanzlerkandidaten bestimmen die Parteien intern, unabhängig davon, wen der Bürger vielleicht am Ruder sehen will. Das geht weiter über die Besetzung des Parlaments. Der Wähler bestimmt gerade mal zu 50% über dessen personelle Zusammensetzung. Die übrigen 50% werden von der Partei über die Listenplätze nach eigenem Gusto besetzt, wodurch selbst solche Politiker im Parlament sitzen und behaupten gewählte "Volks"vertreter zu sein, die im eigenen Wahlkreis mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind. In letzter Konsequenz sind diese über die Listen durch die Partei ins Parlament gesetzten Abgeordneten der eigenen Partei und nicht dem Volk verantwortlich, denn dem Volk haben sie letztendlich nur sehr am Rande zu verdanken, dass sie da sind, wo sie sind. Man denke auch an die Wahl des Bundespräsidenten. Wer den wählen darf, entscheiden wiederum die Parteien, nicht das Volk. Prominentestes Beispiel dürften jedoch die Wahlversprechen sein. Parteien dürfen zur Wahl zwar alles versprechen, sind aber durch rein gar nichts an das Einhalten dieser Versprechen gebunden.

    An der Stelle sehe ich das sehr viel gravierendere Problem unseres Staates und die Piratenpartei bietet mir auf dieses Problem einfach keine stichhaltigen Lösungen an.

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