Donnerstag, 25. Februar 2010

Personalbeschaffung

Vor einigen Tagen scherzte ein Bekannter mir gegenüber noch darüber, dass man ja ganz gut 1 Euro Jobber nach Afghanistan schicken könnte, und wenn die sich weigern, dann könnte man denen ja die Unterstützung streichen. Das war natürlich im Scherz gemeint, eine Überspitzung, und wir haben darüber beide gelacht. So wie es aussieht, könnte uns das Lachen im Halse stecken bleiben.

Bereits am 4.12.2009 vereinbarten Kultusminister Helmut Rau und Generalmajor Gert Wessels eine Zusammenarbeit zwischen den Schulen in Baden-Württemberg und der Bundeswehr. In einer Pressemitteilung des Baden-Württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport heißt es:
"Mit dieser soll die Kooperation zwischen Schulen und Jugendoffizieren gekräftigt werden. Ziel ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Rahmen der politischen Bildung. "Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt soll die Kooperation Jugendliche an sicherheitspolitsche Themen heranführen. Damit soll der Blick auf die Chancen und Risiken unserer Sicherheit und auf das Fundament unserer freiheitlichen Grundordnung geschärft werden", erklärte Rau."
Mit anderen Worten: Die Bundeswehr soll an der politischen Bildung beteiligt werden. Auf den ersten Blick halte ich diese Idee für gar nicht so verkehrt, denn es kann sehr hilfreich sein, wenn Jugendliche ins direkte Gespräch mit jenen kommen, die mit den Folgen politischen Handelns konfrontiert werden. Was mich aber sehr nachdenklich macht, ist die dann folgende Formulierung derselben Pressemitteilung:
"Jugendoffiziere bieten dazu wie bisher ihre Besuche in Schulen an. Sie werden darüber hinaus in die Aus- und Fortbildung von Referendarinnen und Referendaren und von Lehrkräften eingebunden."
Bitte? Die Bundeswehr soll bei Lehrern politische Kompetenz schaffen? Das Militär soll Lehrer ausbilden, die dann ihrerseits Schüler auf das Leben vorbereiten? Bei allem Respekt, den ich gegenüber der Bundeswehr habe und auch bei aller Einsicht die Notwendigkeit von Militär betreffend, die aufbringen kann, an dieser Stelle habe ich doch ernsthafte Zweifel, ob das in die richtige Richtung geht.

Für sich alleine genommen halte ich das für sich genommen bereits für eine problematische Entwicklung. Das Militär sollte sich aus der Bildung heraushalten. Es ist nicht Auftrag der Bundeswehr Bildung zu vermitteln und es ist erstrecht nicht Aufgabe der Bundeswehr, bei Kindern und Jugendlichen politische Kompetenz zu vermitteln. Das ist eindeutig Aufgabe der Lehrer und Schulen und der Politiker - letztere haben dazu zwar keinen Bock, aber trotzdem ist das eigentlich auch ihr Job, aber das ist ein anderes Thema.

Für sehr sinnvoll hingegen halte ich, dass die Bildungseinrichtungen eng(er) mit der Bundesagentur für Arbeit zusammenarbeiten. Es ist wichtig, dass Schülern und Heranwachsenden die Realität des Arbeitsmarktes vermittelt wird und Illusionen gegen Faktenwissen und Fähigkeiten ersetzt werden, sich auf diesem Arbeitsmarkt erfolgreich behaupten zu können. Jeder braucht sich nur selbst daran zu erinnern, welche verworrenen Ideen man selber mal als Schüler im Kopf hatte, was den Arbeitsmarkt betrifft. Angesichts der Realitätsferne der Vorstellungen mancher Schüler von heute kann ein wenig mehr Konfrontation mit der Wirklichkeit nur hilfreich sein.

Allerdings frage ich mich, was genau hier tatsächlich passiert. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, und Generalmajor Wolfgang Born, Stellvertreter des Personalzentrums im Bundesverteidigungsministerium und Beauftragter der Bundeswehr für die militärische Personalgewinnung, haben kürzlich in Bonn eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Der exakte Wortlaut ist bisher nicht bekannt, wohl aber einige grobe Inhalte.
"Mit dieser [Kooperationsvereinbarung] sollen verstärkt partnerschaftliche Anstrengungen unternommen werden, um Personal zu gewinnen und zu qualifizieren." "Weise, selbst Oberst der Reserve, und Born unterstrichen, dass es das gemeinsame Ziel der beiden Organisationen sei, die ihnen anvertrauten Personengruppen bei der Wahl ihres Berufswegs bis hin zur erfolgreichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt tatkräftig zu begleiten."
Okay, im ersten Ansatz liest sich das ziemlich harmlos und ist sogar zu begrüßen, denn Soldaten, die aus der Bundeswehr ausscheiden, brauchen in der Tat massive Unterstützung dabei, sich im zivilen Berufsleben einzugliedern. Die Bundesagentur für Arbeit ist da der logische richtige Ansprechpartner für das Verteidigungsministerium. Was stört, ist die umgekehrte Richtung. Klar, warum soll man befähigten Arbeitslosen nicht auch aufzeigen, dass sie zur Bundeswehr gehen können, wenn das für sie infrage kommt. Aber wenn die Alternative zum Druckmittel wird, dann läuft etwas schief. Es sollen bereits Sanktionsandrohungen gegen Arbeitslose ausgesprochen worden sein, die nicht an den Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr teilnehmen wollten.

Ja, wir haben in Deutschland eine Wehrpflicht. Ja, dieses Modell ist mehr als diskussionswürdig. Ja, ich halte die Bundeswehr für notwendig und richtig (und auch verbesserungswürdig). Nein, es kann nicht sein, dass der Staat über den Umweg der Arbeitslosen die fehlende Attraktivität seines Militärs dadurch ausgleichen will, dass er Bürger in wirtschaftlichen und sozialen Notlagen dazu zwingt, sich dem Militär anzuschließen. Dieser Entwicklung kann man gar nicht entschieden genug entgegentreten. Im größeren Zusammenhang gesehen macht mich die Nachwuchsbeschaffung über Schulen und über die Bundesanstalt für Arbeit sehr nachdenklich. Ich frage mich, ob diese Form der "Nachwuchsgewinnung" nicht genau diejenige ist, die wir uns angesichts unserer historischen Erfahrungen verkneifen sollten.

2 Kommentare:

  1. Wenn ich mal so in meine Vergangenheit hineinschnuppere ... der Gemeinschaftskundeunterricht durch Lehrer war doch eher langweilig, der Unterricht über Verfassungsrecht während meiner Bundeswehrzeit jedoch sehr interessant. Ich bin zwar nicht begeistert davon, daß das Militär unterrichten soll, aber Verfassungsrecht zu unterrichten und dabei dem Junggemüse, welche Rechte uns das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert, zählt zu den Spezialitäten von Offiziere der Bundeswehr. Und als kleinen Nebeneffekt bringt es die Gesellschaft auch ein bißchen der Bundeswehr näher.

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  2. Seit wann mangelt es der Bundeswehr an "Personal"? Hab ich was verpasst?

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