Freitag, 22. Januar 2010

Lebenszeichen aus dem Dschungel

Vor über einem Jahr gab es von mir an dieser Stelle das letzte Lebenszeichen. Vereinzelt wurde ich in der Vergangenheit gefragt, was denn nun mit der Herde sei und ob denn da noch irgendetwas käme oder man das Thema ad acta legen müsste. Ich habe lange, wirklich sehr lange mit mir selber gerungen, ob - und wenn ja: was - ich denn überhaupt zur Welt beizutragen habe und ob es überhaupt sinnvoll sein könnte, das Thema Herde erneut anzufassen.

Um es vorwegzunehmen: Diese Überlegungen sind weit entfernt von einem greifbaren Ergebnis. Das hat nichts damit zu tun, dass sich die Situation in der Welt und in Deutschland so weit geändert hätte, dass man darüber nicht mehr nachzudenken bräuchte. Im Gegenteil. Die Frage, die sich mir noch immer stellt, ist viel mehr die, ob es mir hilft, mich über das Medium Herde damit auseinander zu setzen. Habe ich "es" noch? Kann ich noch immer schreiben? Beim Schreiben dieser Zeilen habe ich so meine Zweifel. Diese Fragen kann ich noch nicht beantworten und ich rechne ganz bestimmt nicht mit einer Antwort von außen. Ohne eine Antwort auf diese Frage ist aber die Frage für mich nicht zu beantworten, ob sich die Herde wieder aus dem Dschungel heraus ans Licht trauen wird oder soll oder kann.

Ich erwähnte damals, dass in meinem Leben eine Menge aus dem Ruder lief und mir gravierende Veränderungen erhebliche Schwierigkeiten bereiteten. Zurückblickend bleibt festzustellen, dass die Konsequenzen der anfänglichen Ereignisse im Wahrsten Sinne des Wortes lediglich eine Ouvertüre darstellten. Ein geflügeltes Wort lautet: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen." Nun, ich konnte nicht lächeln, von "froh sein" ganz zu schweigen und es kam erwartungsgemäß schlimmer. Erheblich schlimmer sogar. Details will ich mir und Euch ersparen. Es mag der Hinweis genügen, dass sich kompetente Fachleute noch immer erhebliche Sorgen um mich machen, ohne wirklich sagen zu können, wie das Trümmerfeld auch nur ansatzweise bereinigt werden könnte.

Auf der "Haben"-Seite sind ein paar Zugewinne zu verzeichnen. Ein neues Handy (ein innovatives Smartphone amerikanischer Herkunft) eröffnete mir die Welt der mobilen Vernetzung, die ich nicht mehr missen möchte. Mein neuer Rechner (auf Basis eines Phenom II 955BE) begeistert mich durch einerseits nie gekannte Rechenleistung und andererseits nachgerade phänomenal großen Speicherplatz, der bei mir durch das Fotografieren immer chronisch knapp ist. Eine neue Kamera (Canon 7D) zeigte mir, dass es nicht nur einen rein finanziellen Unterschied zwischen "Consumer Class" und "Profisektor" gibt: Nach und nach verstehen meine neue Kamera und ich uns sogar soweit, dass das, was meine Kamera macht und das, was ich von ihr will, sogar irgendetwas miteinander zu tun hat.

In Sachen Fotografie habe ich insgesamt angeblich bemerkenswerte Fortschritte gemacht, die mir - für mich vollkommen überraschend - aus unerwarteter Richtung Respekt und Anerkennung einbrachten. Wirklich "vorwärts" geht es hier nach meinem Empfinden aber eher nicht. Keine Ahnung, was sich daraus entwickeln wird. Völlig überraschend wurden mir ein paar kleinere Aufträge zur eigenverantwortlichen Gestaltung von (Print-)Werbung eines international sehr bekannten Herstellers von Grafiksoftware zugeschanzt, die zwar finanziell nicht mal annähernd unter "erwähnenswert" abzuhandeln sind, sich aber ganz gut in der Vita machen.

Die "Soll"-Seite ist erwartungsgemäß nicht wirklich schön. Das Beobachten des alltäglichen Wahnsinns fuhr ich lange Zeit auf Sparflamme, was unmittelbare Konsequenzen in Bezug auf das Mitredenkönnen hat. Beruflich darf man ohne zu übertreiben von einer erschreckenden Stagnation und Perspektivlosigkeit sprechen. Mein Privatleben hat sich radikal verändert. Tiefe Wunden wurden geschlagen und alte Wunden aufgerissen.

Die Folgen sind bislang bestenfalls als "schwerwiegend" - realistischer wohl als "katastrophal" - zu beschreiben. Mein "Sozialverhalten", aber auch Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl haben gravierenden Schaden genommen. Meine Neigung, dem Gegenüber den "benefit of a doubt" zu gewähren, ist nahezu auf einem Nullpunkt angekommen. Zu etlichen Menschen habe ich den Kontakt vollständig abgebrochen und zu sehr vielen anderen Menschen den Kontakt dramatisch heruntergeschraubt. Ich beschäftige zwar manchmal mit mir selbst, aber wohl nicht so, wie es erfolgversprechend(er) wäre - können und wollen liegen weit auseinander. Vom Thema "Frauen" fange ich besser gar nicht erst an, sonst artet das hier in einen brutalen Rundumschlag aus.

Kurzum: Ja, man kann sagen, dass ich meinen Kopf schon ein gutes Stück tief in meinem eigenen Rektum versenkt habe. Klar, auch das Leben anderer Menschen ist schwierig und nicht immer schön und mein "Schicksal" (ich habe ernsthafte Schwierigkeiten mit diesem Wort) ist bestimmt nicht das hässlichste, schwierigste, grausamste auf dieser Welt. Es ist aber das einzige, das mich im Moment unmittelbar interessiert. Gibt es Hoffnung? Das hängt davon ab, wen man dazu befragt. Ich habe eine sehr trockene Meinung dazu und an Wunder glaube ich nicht. Ich werde der Welt aber sicherlich noch einige Zeit erhalten bleiben - was manchen freuen, andere sehr stören wird.

Was bedeutet das alles für die Herde? Ganz ehrlich: Ich weiß es noch nicht. Vielleicht bin ich langsam wieder so weit, mich an die Herde heranzutrauen, vielleicht auch nicht.

Wir werden sehen.

12 Kommentare:

  1. Ich würde mich freuen wenn die Herde wieder loslegt! Und hoffe das sich bei dir wieder alles in geregelte Bahnen verschiebt.

    Gruß
    Sebastian

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  2. Ich schließe mich Sebastian an. Die Tapirherde war die vergangenen >13 Monate weiterhin die Startseite meines Browsers, und endlich mal wieder einen neuen Beitrag zu sehen, hat mich sehr gefreut. Ich hoffe, dass ich auf den nächsten Beitrag nicht genau so lang warten muss und wünsche dir deshalb alles gute bei deiner weiteren "Genesung" :-)

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  3. Moin Frank,

    ich habe immer wieder in sporadischen Abständen bei der Herde vorbeigeschaut und nun gibt es wieder ein Lebenzeichen von dir. Das freut mich.....

    Hab hier ein kleines Zitat was dich vielleicht erreicht:

    Im Leben kommt es darauf an, Hammer oder Amboss zu sein - aber niemals das Material dazwischen.


    Grüße aus Leer sendet Torsten

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  4. Ich habe in den letzten Monaten immer wieder in den Dschungel gespäht und auf eine Bewegung der Herde gewartet. Mich freut das Rascheln der Blätter. Ich werde auch weiterhin Ausschau halten, vielleicht zeigt sich ja auch wieder ein Tapir. Deine Sicht der Dinge ist etwas, was vermisst wird. Von Deiner Art zu schreiben mal ganz zu schweigen.

    Liebe Grüße aus Ingolstadt, Thorsten


    Do what you can, with what you have, where you are.
    (Theodore Roosevelt)

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  5. Adger, welch freudige Überraschung heute eine (1) hinter der Tapirherde aufblitzen zu sehen. Deine Selbstanalyse deiner Situation lässt mich nun nicht genau durchblicken welche Art Probleme Dich beschäftigen und ich werde Dir auch kaum helfen können. Aber vielleicht kann ich eine weitere Stimme dazu beisteuern die Dir sagen dass sie Dich gerne weiter lesen möchten. In diesem Sinne: Hau rein in die Tasten.

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  6. Schön zu sehen das du noch Lebst! Das ist immer der erste Schritt und warscheinlich auch der einizge um den man nicht herum kommt ohne mit dem leben dafür zu zahlen!

    und die eigene Situation ist immer die schwerste den eine andere hat man nicht durchlebt, selbst wenn sie im vergleich zu anderen nicht die tragischte, schlimmste oder was auch immer ist.

    Mit freundlichen grüßen!

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  7. Freut mich das du den Schritt gewagt hast deinen Blog Account wieder zu nutzen : )

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  8. ein "willkommen zurück" ist vielleicht die falsche wortwahl, aber irgendwie kommt mir genau dass in den sinn, zumal die herde weiterhin von mir in regelmässigen abständen angesurft wurde und auch die favlinks keinesfalls ihren weg in den papierkorb gefunden haben.

    es freut mich einfach dass du wieder schreibst, frank:) Deine Sicht der Dinge hat mir sehr gefehlt im vergangenen Jahr.
    egal wie es sich entwickelt und was hier aus der herde noch wird. ich habe dich als sehr faszinierenden Menschen kennen und mögen gelernt. Direkt nach den, geographisch bedingt eher seltenen Momenten, in denen wir uns sehen freu ich mich schon wieder aufs nächste treffen. Und diese freude lässt über die dauer der zeit nicht nach.

    viel erfolg beim weiteren weg, wir sprechen uns im irc:)

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  9. Wunderbar, die Herde wird reaktiviert. Dir alles erdenklich Gute!

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  10. hallo adger. hat lange gedauert, bis ichs gemerkt hab, aber schoen, dich wieder aktiv zu sehen.

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