Dienstag, 21. November 2006

Lernauftrag

Der Spiegel ist seit Montag der Meinung, dass wir Deutschen ein entscheidendes Defizit aufzuholen hätten:

Spiegel Magazin Cover Scan Nr. 47 20.11.2006
Ich weiß ja nicht so recht, aber wenn ich mir die Schlagzeilen der anderen Medien so ansehe, die in den letzten Tagen so aufgetaucht sind, dann habe ich irgendwie den Eindruck, dass wir das auch jetzt schon recht gut können:

Morde in den Zeitungen
Ich kann mich natürlich auch täuschen...

3 Kommentare:

  1. Hallo!
    Das auf dem Spiegel-Cover sieht mir doch sehr nach einem Zitat aus, oder täusche ich mich da jetzt? Gibt's nichts aus der Zeitung selbst, wo darauf genauer eingegangen wird? Ich hätte es beim Überfliegen wohl da rein geordnet, dass seitens der EU Druck gemacht wird, als da eine "Meinung" hinein zu interpretieren...
    Außerdem ist es meinen Ansichten nach überaus unangebracht, Amokläufer oder Straftäter mit der Armee zu vergleichen - Ich will damit nicht behaupten, dass Soldaten als "Die Deutschen" verallgemeinert werden sollten - Das fällt schon weit in ein anderes Diskussionsgebiet - Aber Straftäter oder einzelne Problemfälle ganz sicher noch weniger.
    Grüße, Matthi

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  2. Die Headline auf dem Cover bezieht sich auf zwei Artikel im Spiegel Nr. 47 / 2006. Beginnend auf S. 20 "Das Afghanistan-Abenteuer" Dort heißt es "Berlin verweigert sich dem lauter werdenden Ruf nach einem deutschen Kampfeinsatz - wie lange noch?" Dort werden die Probleme der "hohen Politik" bei der Einschätzung der Lage geschildert.

    In diesem Artikel kritisieren die Autoren des Spiegels, Konstantin v. Hammerstein, Hans Hyong, Hans-Jürgen Schlamp und Alexander Szandar (S. 22): "Und: Deutsche Soldaten sind auffällig unbeteiligt an den immer brutaleren Kämpfen am Hindukusch. Während Kanadier, Niederländer, Briten und Amerikaner im Süden Afghanistans Krieg führen, haben sich die Deutschen im vergleichsweise friedlichen Norden des Landes eingerichtet. Dort sollen sie sich um den Wiederaufbau des geschundenen Landes kümmern - als eine Art bewaffneter Sozialarbeiter mit der Lizenz zum Dorfpolizisten."

    Und weiter (S. 22): "Bis heute weigert sich das Verteidigungsministerium, die 64 Bundeswehsoldaten, die bislang bei Auslandseinsätzen ums Leben kamen, als 'Kriegstote' anzuerkennen. Das spart zum einen Geld, weil für Kriegsgräber dauerhaft der Staat einstehen müsste. Und es vermeidet, die Wörter 'Krieg', 'Tod' und 'Auslandseinsatz' in einen Zusammenhang zu stellen."

    Weiter unten, selbe Seite: "Die Arbeitsteilung passt ihnen [den Bündnispartnern, Ed.] nicht mehr, nach der sie für Töten und Sterben zuständig sein sollen, während die Deutschen als Sozialarbeiter im Tarnanzug durch die Welt reisen." "Schon bald könnten deutsche Soldaten wieder in Kampfeinsätze ziehen, wo sie auf Menschen schießen und auch beschossen werden. Dann wird sich erweisen, ob das Land darauf vorbereitet ist - mental, politisch und militärisch."

    Bis hier hin eine klare Kritik der Autoren und damit des Spiegels an der Haltung der Bundesregierung und an der Situation insgesamt, den NATO-Verbündeten gegenüber. Klar wird die Forderung erhoben, dass auch "die Deutschen" - im Artikel wird bewusst die Differenzierung zwischen "Normalbürgern" und "Soldaten" vermieden, es wird im Gegenteil sogar absichtlich eine enge Verbindung hergestellt - in den Krieg ziehen müssten und sowohl auf Menschen schießen, aber auch sich selber beschießen lassen. Es ist klar, dass hier wohl nicht von Wasserpistolen die Rede ist. Wie nennt man es, wenn man einen Menschen erschießt? "Töten" sagen die Einen, "ermorden" die Anderen.

    Der Artikel zitiert schließlich Karsten Voigt (SPD), Regierungsbeauftragter für deutsch-amerikanische Beziehungen. Ihm wurde von nicht näher benannten Angehörigen der US-Administration eben jener Satz vorgehalten, der auf der Titelseite abgedruckt wurde (S. 24): "Die Deutschen müssen das Töten lernen"

    "Die Deutschen"? Wir alle? Du? Ich? Meine Nachbarin? Warum fehlt die Differenzierung? Weder geben sich die Autoren Mühe zu erläutern, was genau hier von "den Angehörigen der US-Administration" genau gemeint war, noch klären sie auf, ob es hier "nur" um die Soldaten ging oder doch "um alle Deutschen", wie es der Text auf der Titelseite nahelegt.

    Genau das ist meine Kritik an dieser Berichterstattung des Spiegels. Die Autoren ergehen sich seitenweise darin darzustellen, wie schwierig die Lage ist, welche Verwicklungen es gibt, wie das diplomatische Parket gestaltet ist und wer wen nicht leiden kann und was vermeintliche und tatsächliche Beweggründe sein könnten. Die Aufforderung an "die Deutschen das Töten zu lernen", noch dazu von der US-Regierung formuliert, stellen sie nicht klar.

    Der folgende Artikel, "Sterben für Kabul", (S. 34-44) von Sabine Koebel, stellt in erster Linie heraus, dass die Soldaten, die in Afghanistan sterben, ermordet werden. Es gibt keine "echten" Gegner, wie man sie aus dem Zweiten Weltkrieg kennt. Die Rede ist von Sprengfallen, Angriffen aus dem Hinterhalt. Die im Artikel zuvor kritisierte "Sozialarbeit" wird als dringend notwendig und unerlässlich beschrieben. Erfolge und Rückschläge werden beschrieben, Gefahren plastisch geschildert, Opfer - überwiegend solche der Alliierten Truppen - werden nahe gebracht. Der Artikel endet: "Und die Deutschen im Norden? Es mag ja ein bisschen feige sein, dort oben ein Gefühl von Sicherheit zu verströmen, ein paar Wasserlöcher zu bohren, den einen oder anderen Warlord zu zähmen und eine Baumschule zu betreiben. Vielleicht aber auch klug."

    Sicher stellt der Spiegel keine absichtliche Verbindung zwischen den Mordfällen hier und den - nennen wir es mal vorsichtig - "Todesfällen" dort her. Sicher stellt der Spiegel die Soldaten der Bundeswehr nicht als mordlüsterne Bande dar, sondern als besonnene Helfer - auch wenn das bei anderer Gelegenheit völlig anders aussah. Die Geschichte mit den Fotos ist noch nicht so lange her, als dass sie vergessen worden wäre. Da wurde sehr deutlich darauf hingewiesen, wie umstritten die Ausbildung der Bundeswehr wäre und auch die Frage gestellt, ob die Bundeswehr denn überhaupt dazu in der Lage sei, ihren Auftrag im Ausland auszuführen, in Anbetracht solcher Ereignisse.

    Diese beiden Überlegungen sind es, die am Ende dazu führen, dass der Leser sich die Frage stellt, ob "wir", nämlich "die Deutschen", wirklich von den anderen "das Töten" lernen müssen, damit die Alliierten in der Opferstatistik besser dastehen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, wenn die anderen von uns lernten. Gerade diese Frage stellt nämlich zwischen den Zeilen der Artikel von S. Koebel. Und welche Frage stellt sich der unbeteiligte Leser, wenn er dieses Titelblatt sieht und sich an die Vorgänge der jüngsten Vergangenheit im eigenen Land erinnert? Was mögen die älteren Generationen in Anbetracht dieser Titelseite denken und fühlen?

    Eine andere Schlagzeile auf der Titelseite wäre bestimmt nicht weniger aussagekräftig gewesen. Auf diesen Wahnsinn und Irrwitz im Kampf um Auflage und Verkaufszahlen hinzuweisen, darf man sich ruhig leisten. Dafür ist die Tapirherde bekannt und zu dieser Kritik stehen wir.

    HTH.

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  3. Ich wäre für eine Überschrift à la "Deutsche Politiker müssen regieren lernen" oder so. Aber das wäre wahrscheinlich nichts für die Verkaufszahlen

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