Freitag, 27. Oktober 2006

Bundeswehr in Trouble

Bild Soldat mit SchaedelDie Bundeswehr hat ein Problem. Soldaten in Afghanistan haben - aus welchen Gründen auch immer - eine Grenze überschritten, die keinesfalls hätte überschritten werden dürfen. Mit den Gebeinen von Toten stellt man keinen Unfug an. Erklären kann man es vielleicht mit Aussagen wie "Lagerkoller", "Frust", "Übermut" oder was weiß ich. Bilder davon zu machen ist nicht nur nicht unverständlich, es ist auch unglaublich dumm. Aber trotz aller Perversion ist es nachvollziehbar: Wenn man schon "den großen Macker" spielt, dann will man ja auch zeigen, dass man der große Macker ist.

Es mag für uns hier zwar völlig harmlos klingen "mal eben in Afghanistan für Ruhe zu sorgen", aber "harmlos" ist wahrscheinlich das letzte Wort, das den Soldaten dort einfallen wird, wenn sie ihren Einsatz beschreiben sollen. Angefangen bei der Trennung von der Heimat, über das Leben in einem vollkommen unverständlichen und fremden Land bis hin zur bewaffneten Auseinandersetzung ist der Job der Soldaten dort bestimmt nicht "lustig" oder "entspannend". Ein wenig mit Heimkehrern sprechen hilft zu verstehen, was dort abgeht.

Ich kann und will die Vorgänge nicht beschönigen und schon gar nicht in Schutz nehmen. Ich will auch die Soldaten nicht verteidigen, die dort ganz eindeutig weit über die Grenzen des Zumutbaren oder Vertretbaren hinausgegangen sind. Aber was genau passiert eigentlich gerade?

Die Medien drehen frei und walzen das Thema aus, in jeder Breite und in jede Richtung. Deutschlands Meinungsmacher Nummer eins, die Bild, ganz weit vorne weg. Aber was ist denn wirklich schief gegangen? Ein Haufen Soldaten hat wahrscheinlich in der Freizeit den großen Max markiert. Kann man das mit Erziehung ausradieren? Kann eine Umstellung der militärischen Ausbildung, die nichts Anderes ist als eine "Erziehung", dieses Verhalten verhindern?

Die Ausbildung beim Militär soll den Soldaten formen. Er soll Befehle so perfekt wie möglich und so effizient wie möglich ausführen. Er soll auf Befehl töten. Er soll Dinge tun, die "Normalsterbliche" nicht tun wollen, nicht tun würden. Der Soldat wird darauf konditioniert, genau diese Regeln zu überwinden. Daraus entsteht der Konflikt, der in Extremen münden kann, die wir ratlos als "Aussetzer" zu erklären versuchen. Diese Erfahrung haben auch schon andere Truppen und Staaten gemacht, zu allen Zeiten. Das uns präsenteste Beispiel ist die US Armee.

Hat wirklich irgendwer gedacht, dass "unsere Jungs" anders sind, dass "unsere Jungs" Supermänner sind und die anderen "Stümper", "Nixkönner"? Vielleicht, aber wahrscheinlich sind das auch diejenigen, die mit Soldaten aus solchen Einheiten nichts zu tun haben und von den Einsätzen bestenfalls wissen, was im lokalen Käseblatt hin und wieder mal gnädig berichtet wird. Von solchen hört man dann Sätze wie: "Bundeswehr in Afghanistan? Ich denk, die ist im Kongo?"

Die internationalen Reaktionen sind interessant, besonders bemerkenswert der Kommentar aus dem Inselkönigreich. Die britische Financial Times schreibt:
"Deutschlands militärische Kraft ist eine gute Sache. Die Welt braucht mehr davon. Das ist die Lektion, die Deutschland und Europa seit dem Ende des Kalten Kriegs gelernt haben. Und das ist die Botschaft, die sich durch das neue Strategiepapier der Bundesregierung für eine Einsatzarmee zieht. Aber Berlin muss diesen Weg noch weiter gehen. Vor allem muss es die Wehrpflicht abschaffen, die die Bundeswehr einschränkt."
Eine wirklich interessante Betrachtung, zumal sie ausgerechnet von da kommt, wo man sich näher an der Leitlinie aus Washington sieht, als an der aus Brüssel. Und diese Sichtweise zeigt nachdrücklich auf eines unserer größten eigenen Defizite: Die Wahrnehmung unserer Soldaten durch das Volk.

Wir alle, jeder einzelne Bundesbürger sollte sich spätestens jetzt fragen, was die Jungs und Mädels da draußen eigentlich tun und warum wir so wenig davon erfahren. Warum erfahren wir nicht, was genau da unten im Kongo passiert? Warum erfahren wir nicht, was die Marine da genau vor der libanesischen Küste tut? Warum erfahren wir nicht, was unsere Soldaten in Afghanistan, im Kosovo, auf Zypern, am Horn von Afrika und was weiß ich wo die noch alles stationiert sind erleben, durchmachen und tun? Warum sind unsere Medien auf dem Auge so unglaublich blind? Warum müssen wir uns darauf verlassen, das andere Staaten uns erzählen, was unser Leute woanders treiben?

Wie sollen wir "mitreden", wenn alles was wir erfahren entweder schöngeredete Propaganda der eigenen Politiker oder das exakte Gegenteil der anderen Seite ist? Selber hinfahren können wir nicht, sollten wir vielleicht auch nicht. Aber unsere Medien, die dürfen sich mal langsam in Bewegung setzen und akzeptieren, dass Deutsche Soldaten im Ausland Dienst tun und das es jeden Bundesbürger angeht, was die eigene Vertreidigungsarmee dort treibt, denn letztendlich sind es meine, sind es Deine Interessen, die unsere Soldaten da verteidigen und sichern. Alleine das sollte als Rechtfertigung für die Medien ausreichen, sich endlich mal mit diesem Thema zu befassen.

Aufklärung war bislang noch immer das beste Mittel zur Verhütung. Dazu gehört aber nicht nur Aufklärung über die Mißstände, sondern generell Aufklärung. Über alles. Und das beginnt bei der Berichterstattung.

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