Mittwoch, 11. Mai 2011

Handwerk am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

Morgens, halb elf in Deutschland. Es klingelt an der Tür. Freundlich schalmeit es mir (ich stehe an meiner Wohnungstür im ersten Stock) von der Haustür (die ist im Erdgeschoss) entgegen:
"Moin, Handwerksfirma blahfasel! Kommen sie mal runter und machen den Keller auf."
"Oha oha", denke ich mir, "das fleißige Handwerk bittet um meine Mithilfe! Ich sollte mich sputen!" und so rufe ich zurück:
"Welchen Keller? Und warum?"
Man ist begeistert ob meines Kooperationswillens:
"Weil wir das sagen. Und nun komm gefälligst her und mach auf!"
Freude schöner Götterfunke! Wir sind beim verbindlichen "Du" angelangt. Mein Herz tanzt! Von Glücksgefühl überwältigt werfe ich meine Wohnungstür ins Schloss, mache mir erst mal einen Kaffee und bewundere weiterhin Phoenix, wo die Causa zu Guttenberg in die nächste Runde zu gehen droht.

Es klingelt erneut. Wer mag das sein? Voller Vorfreude eile ich mit der Hast einer gemächlich-entspannten Weinbergschnecke zur Tür. Draußen: Das Handwerk. Personifiziert in Form eines älteren, fülligen Glatzkopfes mit Schweinsaugen. Seine arrhythmisch bebenden Nasenflügel und seine leicht rote Hautfarbe lassen mich erahnen, dass das Handwerk irgendwie erregt ist. Ich kann das verstehen! Mir zu begegnen ist schließlich immer aufregend. Das Handwerk hebt an zu sprechen und eine der Körpermasse und Bauform vollkommen angemessene Fistelstimme belästigt meine Trommelfelle. Was mir denn einfiele. Wenn Handwerker Zugang zu einem Kellerraum brauchen, dann haben die Mieter das zu ermöglich. Und überhaupt. Es sei mein Pflicht, mit allen zu kooperieren. Außerdem: HANDWERK! Schon der Name habe mich in Erfurcht und Dienstbarkeit zu versetzen. Außerdem! Und Sowieso! Und deshalb! JETZT!

Ich warte ab. Ich will ihm ja seinen Auftritt ja nicht versauen. Vielleicht kommt ja noch eine Tanzeinlage. Oder weitere Darsteller. Man weiß das ja nicht. Ich werde enttäuscht. Das Handwerk starrt zurück. Lange Minuten des erwartungsschwangeren Schweigens breiten sich aus und richten sich häuslich ein. Meine Neugierde gewinnt. Ermunternd und alle Zweifel ausräumend entgegne ich:
"Jaaaaa....?"
Das Handwerk reagiert: Den Keller. Aufmachen. Jetzt. Das Handwerk dreht sich um und stapft mit klingenden Hoden die Treppe hinunter. Nun gut, ich bin ja kein Unmensch. Kellerschlüssel greifen und hinterher.

Unten im Keller erwartet mich das Handwerkstrio, bestehend aus Meister Schweinsauge, Geselle Demnächst und Lehrling Hä. Freundlich, wie ich nun mal bin, begrüße ich das Triumvirat und gehe nach rechts zu meinem Keller. Ich werde angeföhnt. Was ich denn da wolle. Diesen Keller hier links solle gefälligst ich aufmachen. Ich stutze. Könnte es sein, dass da ein leiser Misston, ein Vorwurf, an mein Ohr dringt? Ich gehe zurück zum Triumvirat und stelle mich dem Vorwurf des nicht kooperieren Wollens. Meister Schweinsauge zeigt nach links auf eine schwere, verschlossene Stahltür. Ich sehe Meister Schweinsauge an.
"Für diese Tür habe ich keinen Schlüssel. Die kann ich nicht öffnen. Da müssen sie mit der Hausverwaltung sprechen."
Meister Schweinsauge droht die Beherrschung zu verlieren. Geselle Demnächst schaltet sich ein. Das Handwerk habe mit der Hausverwaltung telefoniert. Die Hausverwaltung habe auf mich verwiesen. Ich soll einen Schlüssel haben. Lehrling Hä guckt unbeteiligt. Ich hab den Schlüssel aber nicht und hatte den auch nie und lege auch keinen Wert darauf, daran etwas zu ändern. Geselle Demnächst nickt verstehend. Meister Schweinsauge ist Verzweiflung und Ohnmacht nahe. Der Geselle erklärt dem Meister auf Handwerkisch, was ich ihm gerade gesagt habe. Vermute ich jedenfalls. Meister Schweinsauge wechselt die Hautfarbe von rot zu... ich weiß nicht... irgendetwas noch roterem. An Lehrling Hä gewandt sage ich:
Ich: "Ich kann ja meinen Keller aufschließen, wenn ihnen das hilft?"
Lehrling: "Hä?"
ich: "Meinen Keller. Soll ich den aufschließen?"
Lehrling: "Hä? ... Jojojojo....!"
Ich gehe los, meinen Keller aufzuschließen. Das Triumvirat stapft mir hinterher. Geselle und Meister unterhalten sich noch immer auf Handwerkisch, die Hautfarbe von Meister Schweinsauge hat mittlerweile wieder gesundere Farbtöne angenommen. Ich schließe auf. Nun ist mein Keller zwar nicht übervoll, aber doch angemessen gefüllt. Ich trete ein, mache Licht an und wende mich mit einer einladenden Geste dem Handwerk zu. Das Handwerk strömt in den Keller. Gewusel. Getue. Betriebsamkeit. Der Geselle schickt den Lehrling los, irgendetwas zu holen, was der wiederum mit einem intelligenten "hä?" quittiert. Ob verstanden oder nicht, er pilgert los. Geselle und Meister begutachten skeptisch die an der Decke verlaufenden Rohre und murmeln sich gegenseitig irgendwelche Ritualbeschwörungen zu. Irgendwann dreht sich Meister Schweinsauge zu mir um und meint:
"Gut, dann müssen wir eben hier anfangen. Räum mal eben den Keller leer, hier siehts ja aus wie aufm Rummel. So können wir nicht arbeiten!"
Leicht irritiert sehe ich ihn an. Und dann ihm hinterher, wie er an mir vorbei und die Kellertreppe nach oben entschwindet. Der Geselle folgt ihm und im Vorbeigehen sagt er zu mir "Demnächst bereiten sie sowas vor, wenn wir kommen" und zu sich selbst "Echt unmöglich sowas..."

Ich bin überfordert. Was wollen diese Leute von mir? Warum mein Keller? Was geht mich das an? Ich habe das Handwerk nicht bestellt! Ich hab keinen Bock auf Keller ausräumen. Und auf diese Spinner schon gar nicht. Ich mache das Licht wieder aus, die Tür zu, schließe ab und folge den beiden. Vor der Haustür treffe ich das Handwerk bei der anstrengenden Raucherpause. Ich beschließe dem Tag die Chance zu geben, nicht auf der Herde zu enden und frage freundlich nach, was denn überhaupt geplant sei und was ich jetzt damit zu tun hätte.

Blöder Fehler. Das Handwerk mustert mich und von drei Seiten werde ich zugetextet mit Fachbegriffen über Rohre, Kanalisation, Gas, Wasser, Scheiße und das Finanzamt. Nicht zu vergessen die Neurodermitis der Frau von Meister Schweinsauge und den ganzen Terminen, die demnächst noch anstehen, wie der Geselle sich beeilt zu betonen.

Ich formuliere meine Frage um. Was hat mein Keller mit deren Auftrag zu tun und warum muss ich den ausräumen? Ich halte das für eine legitime Fragestellung. Ich werde angestarrt. Der Geselle hat schließlich Erbamen:
"Falls wir demnächst bei Dir dieses und jenes handwerkischen Fachbegriff hier einsetzen machen sollten, dann geht das viel schneller."
Ich werde misstrauisch. "Falls"? Ich hake nach. Das Handwerk muss also eigentlich gar nicht in meinen Keller, will jetzt nur nicht dumm rumstehen oder irgendwo anders Luft weg atmen, sondern "auf blauen Dunst" mal eben bei mir irgendwas handwerken, was man wohlmöglich mir in Rechnung stellt, ich aber unter Umständen nie im Leben brauchen werde?

Ja also so könne ich das ja nicht sehen, meint Meister Schweinsauge mich belehren zu müssen und beginnt mir die Vorzüge moderner Sanitärhausinstallationen zu erklären. Mir sind die Vorteile sonnenklar - und scheißegal. Das lasse ich Meister Schweinsauge auch wissen. Als sei damit alles geklärt verschränkt der die Arme auf der Brust und starrt mich wartend an. Ich starre zurück, aber im Gegensatz zu ihm habe ich keine Ahnung, was er von mir will. Ich versuche es wieder mit dem ultimativen Allheilmittel zwischenmenschlicher Diplomatie:
"Jaaaaa....?"
Ja und deshalb müsse ich jetzt sofort und auf der Stelle den Keller räumen und außerdem sei Zeit schließlich Geld und man habe ja auch noch was anderes vor. Aber wenn ich die Rechnung gerne teuer hätte, dann könne ich mir natürlich auch Zeit lassen. Nichtwahr. Hä? Demnächst aber!

Ich beschließe, dass es jetzt an der Zeit ist, ein paar Dinge klarzustellen:
"Erstens: Ich habe Sie nicht bestellt. Zweitens: Ich habe keine Arbeiten am Sanitär- / Kanalisations- / Wassersystem bestellt. Drittens: Wer ihre Rechnung bezahlt, ist mir scheißegal, aber ich werde das nicht sein."
Das Handwerk ist von den Socken. Ja aber die schönen Rohre... und der weite Weg... und die Arbeitszeit... Demnächst... hä? Und was soll denn meine Frau sagen...

Mir wird es zu blöd. Ich lasse das Handwerk draußen stehen, gehe zurück ins Haus und in meine Wohnung. Ich angle mir ein Telefon und rufe die Hausverwaltung an. Man ist sogar bereit mit mir zu sprechen, was mich doch verwundert. Ich schildere die Situation:
ich: "Da sind so Handwerker vor meiner Tür, die im Keller irgendwas dengeln wollen."
Husverwaltung: "Ja dann lassen sie die doch machen."
ich: "Ich habe die aber nicht bestellt."
Hausverwaltung: "Jaaaaa....?"
ich: "Die sind aufgetaucht, wollen präventiv in meinem Keller irgendwas mit irgendwelchen Rohren machen und faseln was von irgendeiner Rechnung die ich bezahlen müsste."
Hausverwaltung: "Ja wenn sie den Auftrag erteilt haben, dann müssen sie das auch bezahlen."
ich: "Ja, hab ich aber nicht."
Hausverwaltung: "Äh..."
ich: "Ich habe keine Handwerker bestellt. Die sind einfach da, wollen in irgendeinen Keller, der ist aber zu und jetzt wollen die in meinen, da was handwerken und ich soll das bezahlen."
Hausverwaltung: "Welche Firma ist denn das?"
ich: "Meister Schweinsauge und seine Kumpanen."
Hausverwaltung: "Ich kläre das, moment."
Ich bleibe in der Leitung und warte. Es klingelt an der Tür. Das Handwerk wird offenbar ungeduldig. Während ich dem Stapfen von Meister Schweinsauge auf der Treppe lausche, beginnt dessen Handy zu klingeln. Einen Treppenabsatz unter mir geht er ran:
"Ja? Ja, am Apperat. ... Ja. ... Nein. ... Ja. ... Ja, im Keller. ... Ja, die Rohre ... Ja. Nummer 29. ... Ja. ... Nein. ... Nein? ... Nicht? ... Oh. ... Oh! ... OH! ... Nummer 25? ... OH! ... Ja ... Ja, sofort. ... Selbstverständlich ... Ja, jetzt sofort. ... Ja, wir fliegen. ... Auf wiederhören!"
Meister Schweinsauge dreht mit den letzten Worten auf dem Absatz um, stapft die Treppe wieder hinunter und ist verschwunden. Es klickt in meiner Leitung und die Hausverwaltung meldet sich:
Hausverwaltung: "Danke für ihren Anruf, das war ein Missverständnis, dass wir aber schnell klären konnten."
ich: "Vielen Dank, guten Tag."
Ich vermute, dass ein bemitleidensweres Opfer des Handwerks in Hausnummer 25 jetzt das Vergnügen mit den drei Stoodges hat, aber das ist mir ziemlich egal, solange der Stadtteil nicht gesprengt wird, was ich dem Trio jedoch durchaus zutraue.

7 Kommentare:

  1. Wo zum Geier treibst du immer wieder solche Tiefflieger auf?

    AntwortenLöschen
  2. So... bis hierhin hab ich mich dann mal wieder aktualisiert! Nach der Arbeit wie immer sehr unterhaltsam!

    AntwortenLöschen
  3. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du nie einen Handwerker benötigst. Eher Kleinartig, dieser Post

    AntwortenLöschen
  4. Solche "Handwerker" sind eine Schande für alle Kollegen. Wir sind Dienstleister und haben uns entsprechend zu verhalten. Beim nächsten Mal schreib den echten Namen der Firma dazu! So ein Verhalten von den Kollegen vor Ort ist ein Unding!

    AntwortenLöschen
  5. Ich empfehle hierzu auch:

    http://www.jochenmalmsheimer.de/technik.html?file=tl_files/technik/Wenn_Worte_reden-Technik.pdf

    AntwortenLöschen
  6. "„Und als ER sah, daß den Menschen wohl Hände eigneten, es denen aber an allen Fähigkeiten
    mangelte, die jenseits des Apfelpflückens warteten und sie sich trefflich dämlich anstellten, als
    es galt, die Pforten des Paradieses zu schmieren, um das gottserbärmliche Quietschen zu ver-
    treiben, da ließ ER abermals einen großen Schlaf auf die Menschen fallen, entnahm vom Steiße
    des Weibes ein Stück und formte den Handwerk,...“
    „...er hauchte ihm Leben ein, sandte ihn aus, das Tor zu richten und ärgerte
    sich erstmalig schwarz, als ER die Rechnung in Händen hielt.“

    Was später aus diesem ersten Handwerk wurde, weiß heute jedes Kind:
    Er bekam den Namen Luzifer, was übersetzt „der das Licht trägt oder bringt“ bedeutet und war
    demnach Elektriker, deren Schutzheiliger er noch heute ist.
    Auch „Satan“ ist nichts als ein Akronym für „Sanitäranlagenbau"."

    Zitat aus Jochen Malmsheimer "Der Handwerk". Gute Umschreibung, wie ich finde. ;)

    AntwortenLöschen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.