Samstag, 21. Oktober 2006

Abends, in Deutschland

PolizeisperreAn manchen Tagen sollte ich einfach lernen, die Zeichen, die mir das Schicksal zukommen lässt, zu lesen und auch entsprechend zu handeln. Manchmal wäre das wahrscheinlich echt besser.

Heute sollte es mal wieder zu Fuß zum Sport gehen. Es machte mich zwar schon ein wenig misstrauisch, dass bereits die erste Kreuzung in Richtung stadteinwärts für Fahrzeuge aller Art gesperrt war, mit Ausnahme "für Anlieger". Freundliche Herren von der Polizei winkten zu viert die Autos in alle anderen Richtungen weg. Ich dachte mir nichts dabei und genoss die autofreie Gegend - ohne den Lärm der Autos kann so ne Stadt ganz schön entspannend ruhig sein.

Als ich dann nach einer ganzen Strecke vor einer sehr soliden Absperrung mit Zäunen und vielen Polizisten in Rüstung stand, hätte mir vielleicht ein Licht aufgehen können, aber nein, manchmal ist man eben betriebsblind. Und so nahmen sich vier freundliche Herren und eine Dame meiner an und fragten recht neugierig, wo ich denn wohl hin wolle - zum Sport - und was ich da so in meinem Rucksack mit mir herumschleppe - Sportzeug natürlich. Ob ich mich denn auch ausweisen könne. Klar, hier mein Perso und hier, mein Rucksack.

So ganz glauben wollte man mir das wohl nicht und so sah man sich den Inhalt des Rucksacks recht genau an. Und was soll ich sagen? Zur großen Überraschung der Sicherheitskräfte hatte ich keine Atombombe dabei. Nicht mal ein Taschenmesser. Dafür aber Sportzeug. Mit professioneller Enttäuschung nahm man zur Kenntnis, dass ich kein gesuchter Terrorist bin, packte wieder zusammen und ich durfte weitergehen - bis zum nächsten Sperrgürtel um die City, ca. 50 Meter weiter.

Auch hier wurde ich wieder sehr neugierig beäugt. Wo ich denn wohl hin wolle - zum Sport, sagte ich eben schon da vorne - und was ich da im Rucksack hätte - Sportzeug, haben sich die Kollegen gerade schon angesehen. Ich solle doch mal zeigen. Ob ich denn auch einen Ausweis dabei hätte. Ich bin ja freundlich und so gab ich Perso und Rucksack ein zweites Mal her. Wieder keine Atombombe, noch immer keine Schusswaffen oder andere gemeingefährlichen Gegenstände und noch immer nicht als gemeingefährlicher Terrorist auf der Fahndungsliste. Ergo: Wieder einpacken und Rucksack zurückgeben. Ich durfte weitergehen.

Dann kam ich am Grund des Trubels an: Aus meinem Heimatort rückt die Bundeswehr ab. Irgendeine Einheit macht sich hier vom Acker und da wollte man sich mal richtig lieb bedanken und hat für die Leute hier einen Großen Zapfenstreich veranstaltet. Mit allem drum und dran. Richtig großes Kino. Sah wirklich beeindruckend aus. Mit Fackeln und Kapelle und so. Hat richtig was her gemacht - interessierte mich nur nicht, denn ich wollte zum Sport und mittlerweile hatte man mich schon ganz gut aufgehalten.

An der Veranstaltung und weiteren geschätzten 340.000 Polizisten vorbei kam ich an der nächsten Absperrung an. Dieses Mal nur eben von innen. Und was soll ich sagen? Genau. Was haben - Sportzeug. Hier, kannst gucken. Haben Sie einen... - Ja, hier. Freundlich bleiben. Lächeln. Ja, das ist tatsächlich Sportzeug. Davon haben sich die Kollegen an den anderen beiden Absperrungen auch schon überzeugt. Nein, ich bin wirklich kein gesuchter Terrorist. Danke, dass ist sehr freundlich, dass sie das Handtuch nicht in die Pfütze dort gelegt haben. Klamotten dieses Mal selber zusammenpacken, freundlich lächeln und winken, weitergehen.

Was soll ich sagen? Es gab noch eine Sperre. Und ratet mal... Genau! Ich durfte wieder meinen Rucksack rausrücken, wieder wurde mein Perso abgecheckt, wieder war nur Sportzeug drin und wieder war ich kein gesuchter Schwerverbrecher. So ein Ärger aber auch.

Nach nur vier Kontrollen - zwei, weil ich rein wollte und zwei weiteren, weil ich wieder raus wollte - hätte ich eigentlich wissen sollen, dass dieser Abend anders werden würde, als andere Abende beim Sport, aber nun gut, manchmal bin ich eben etwas hartnäckig.

Beim Sport lief eigentlich alles ganz normal, außer, dass mich ungefähr jeder und jede gefragt hat, was denn da draußen los wäre - Großer Zapfenstreich - und ob man denn gleich wieder ohne Probleme nach Hause käme - was weiß denn ich? Ich bin kein Hellseher. Irgendwann hatte auch der und die letzte begriffen, dass da draußen eben gerade etwas viel Polizei etwas sehr nervös war. Ich durfte endlich in Ruhe Sport machen. Dachte ich.

Wir haben eine recht bunte Zusammenstellung von Mitgliedern. So ziemlich jeder Kontinent dürfte inzwischen vertreten sein, wobei ich mir bei der Antarktis und Australien nicht ganz sicher bin, aber das sind Details. Wir haben auch eine Gruppe afrikanischer Herkunft, unter anderem drei Herren aus Togo. Diese drei fallen in erster Linie dadurch auf, dass ihr Geräuschpegel bei ihren Unterhaltungen weit oberhalb des Durchschnitts, nahe bei der Skaleneinteilung "sehr nervig" rangiert. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern die nahezu aller anderen auch.

Vor einiger Zeit fingen die drei dann an, ihre Freundin mitzubringen. Eine Freundin, wohlbemerkt. Nicht jeder eine, sondern alle drei zusammen eine. Nicht dass es mich oder sonst irgendwen etwas anginge oder irgendwie interessierte, wieso sich die drei eine Frau teilen und sogar die zu erwartenden Spötteleien von wegen Aufenthaltsgenehmigung und so weiter unterblieben vollständig. Zum Ausgleich - vermute ich wenigstens - machten die drei um diese eine Frau ein riesiges Tamm-Tamm.

Wenn das Weibsbild nicht da ist, sind die drei "mittelprächtig nervig". Ist das Weibsbild aber dabei, sind die drei unausstehlich und die nerven aller anderen liegen schnell blank. Heute war die Dame dabei. In roten Glitzerpumps. Auf der Trainingsfläche. Lungerte schön auf den Geräten herum. Echt super. Und weil das ja noch nicht reicht, haben unsere Gäste aus Togo nicht nur genervt, waren nicht nur unausstehlich, nein, sie haben dazu auch noch absichtlich den gesamten Betrieb aufgehalten.

Nicht etwa, dass man sich nicht schon mal freundlich bei den Herren bemerkbar gemacht hätte. Natürlich hat man. Und natürlich hat man auch schon mal freundlich darauf hingewiesen, dass die Dame mit ihren Straßenschuhen im Trainingsbereich eher gar nichts verloren hat. Und natürlich hat man auch schon mehrfach angefragt, ob es nicht drei oder vier Stufen leiser ginge. Interessiert es die drei? Nö. Bis heute einem Mitsportler der Kragen platze und der zum Filialleiter ging und sich dort in aller Deutlichkeit beschwerte. Der wiederum sah sich das Ganze an, gab dem Beschwerdeführer Recht und bat die Dame in aller Freundlichkeit, doch bitte vorne im Besucherbereich zu warten.

Sehr zögerlich kam sie dem auch nach, nicht ohne sich ausgiebig von jedem einzelnen der drei zu verabschieden und auch nicht ohne sicherzustellen, dass auch wirklich jeder Anwesende mitbekam, wie grausam es ja sei, eine arme, unschuldige, hilflose Person wie sie jetzt ganz alleine in den Wartebereich zu schicken. Trotzdem: irgendwann war sie weg. Wer jetzt aber glaubt, damit sei das Thema durch, der irrt. Was jetzt begann, war für mich ein Erlebnis der besonderen, der prägenden Art.

Die drei Herren aus Togo bildeten eine Art Versammlung. Will sagen, sie blockierten in erster Linie eine Ecke zentral im Trainingsareal, wo sie möglichst vielen Leuten im Weg waren und mokierten sich darüber, wie FREMDENFEINDLICH(!) man in diesem Sportverein doch sei. Ich wurde hellhörig. Fremdenfeindlich? Weil man die Ische als nervig und störend erkannt und deshalb in den Besucherbereich gesetzt hatte? Hä?

Bei näherem Hinhören - was nicht allzu schwierig war, denn die drei unterhielten sich in Ruflautstärke - fielen dann noch einige Nettigkeiten in Richtung des Beschwerdeführers, der, nach ihrer einhelligen Überzeugung, schwul sein müsse und dem auch was aufs Maul gehöre - meinten jedenfalls die drei. Nach langer, um nicht zu sagen künstlich in die Länge gezogener Zeit zogen die drei sich in die Umkleide zurück, von wo man sie hier und da lauthals lamentieren hörte. Sie warteten eindeutig auf den Beschwerdeführer.

Irgendwann war man halt mit dem Training durch und so ging auch ich mich denn irgendwann duschen und umziehen. Auch der Beschwerdeführer von vorhin. Was soll ich sagen? Die drei warteten tatsächlich auf ihn. In bestem Hochdeutsch wurde die Welt darüber aufgeklärt, wie die Welt aus der Sicht der drei Herren aussieht. "De' is' schwul!" - Intensives Gebrabbel in vollkommen fremder Sprache - "Guck ihn an, de' is' schwul!" - wieder Gebrabbel, Gelächter - "Ey, schwule Sau, meine Freundin raus schmeissen geht nich' kla! Das kanns Du ni' ma'en!" und weil er nicht reagierte, weil er sich nicht provozieren ließ, begannen die drei mit der Schreierei.

Nicht etwa, dass irgendeiner der vielen anderen oder gar der verbal angegangene Beschwerdeführer laut geworden wäre, nein, im Gegenteil. Allen war es hochgradig peinlich, wie die drei sich aufführten. Trotz aller Versuche die Lage zu beruhigen, drohte es massiv zu eskalieren - wären die drei und der Beschwerdeführer alleine in der Umkleide gewesen, es hätte garantiert Verletzte gegeben.

Als die drei anfingen, den Beschwerdeführer, der sich noch immer erstaunlich ruhig verhielt, lauthals als "Nazi" und als "Fascho" zu beschimpfen, war das Maß wohl selbst für das Personal voll. Freundlich, aber bestimmt, wurden die drei Herren gebeten, jetzt doch bitte zu gehen. Das taten sie dann wohl auch, wenn auch unter lautstarkem Protest.

Bemerkenswert waren danach die Reaktionen der übrigen Besucher und Sportler. Keiner, wirklich kein einziger, konnte und wollte nachvollziehen, was diese Show der drei sollte. Niemand hatte Verständnis für Tonfall, Wortwahl oder generell Attitüde dieser drei "Gäste". Was mir dabei am meisten Sorgen macht? Jeder hatte plötzlich ähnliche Geschichten am Start, wo sich "die Afrikaner" vollkommen daneben benommen hätten - zwar nicht diese drei, aber eben auch Afrikaner, und das sei ja dann wohl irgendwie symptomatisch. Mir wurde schlecht. Alle warten jetzt nur darauf, dass dem Beschwerdeführer "was passiert", um sich der drei "in Ruhe" anzunehmen...

Jungs, ihr drei habt allen Asylanten, "Ausländern" oder generell Gästen aus fremden Ländern einen großartigen Dienst erwiesen. Das Ganze wird mit Sicherheit noch ein Nachspiel haben und das wiederum hat dann nichts mehr mit gekränktem Stolz oder verletzter Eitelkeit zu tun, sondern mit "dem Begleichen offener Rechnungen" und mit dem Erfüllen von Klischees. Auf beiden Seiten.

Und wenn ich das nächste Mal so deutlich gezeigt bekomme, doch heute vom Sport wegzubleiben, dann sollte ich vielleicht darauf hören.

2 Kommentare:

  1. amen, leider leider springen viele schnell auf den zug auf wenns ums pauschalisieren und über andere bevölkerungsgruppen herziehen geht.

    Welche seite ist dabei egal.


    Man sollte sie nicht nach herkunft sondern nach grad der Idiotie beurteilen:>

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  2. Passagier-Bummelstreik gegen Sicherheitskontrollschikanen!

    Genervt von der Sicherheitskontrolle am Flughafen? Frustriert von der Tatsache, daß ein paar schnell umgeschulte Langzeitarbeitslose am Fraport uns das Weltterroristentum vom Hals halten sollen? Immer noch keine befriedigende Antwort von den Herren am Metalldetektor bekommen, warum noch kein ICE von der Lahntalbrücke gesegelt oder ein LKW voller Sprengstoff eine Ostseefähre versenkt hat - wo die doch gar keine Sicherheitskontrollen machen?

    Und warum in Hahn den Gürtel ausziehen (diese Messerfotos kennen wir ja) und in Frankfurt die Schuhe? Was wenn der Schuhbomber nun Ryanair fliegt?

    Was ist mit den vielen Milliarden Euro, die uns EU-Bürgern in Kosmetik & Softdrinks weggenommen und vernichtet werden? Das ist ein realer Wohlstandsverlust - und alles nur, weil die Flughäfen gerne Geld für bessere Röntgengeräte sparen möchten?

    Es wird Zeit für den mündigen und freiheitsliebenden Bürger, zurück zu schlagen. Der mündige Bürger reist ab sofort immer mit einer Wasserflasche im Gepäck. Der Laptop wird erst nach Aufforderung ausgepackt. Bei Fragen vom Security-Personal tut man erst mal schwerhörig.
    Jacke - in die erste Plastikschale. Den Laptop in die 2. – nach Aufforderung. Dann die Laptoptasche. Oh, Geldbeutel und Schlüssel vergessen – piep – die kommen in die 3. Plastikschale. Da kommt ja auch schon die Laptoptasche wieder, wegen der Wasserflasche. Piep. Oh, der Gürtel. Na klar (mecker, mecker beim Personal). Der Gürtel landet in der 4. Plastikschale. Weil der hoch gebildete und stets freundliche Security-Mann des Bürgers Gegenrede gar nicht leiden kann, sind nun auch die Schuhe noch dran. OK, aber grundsätzlich landen die in der 5. Plastikschale. Piept noch immer? Ach je, die Armbanduhr. Oder die Brille? Fazit: 6 Schalen & eine Laptoptasche. Das Ausgangsband hinter der Maschine ist voll. Der mündige Bürger zieht am Band in aller Ruhe minutenlang seine Sachen wieder an, prüft den Laptop, packt ihn ein und vergisst nicht, den Security-Hilfsarbeiter artig zum Abschied zu grüßen, während dieser von ca. 200 Leuten vor dem Metalldetektor ob der Verzögerung mit Blicken getötet wird.

    Wie viele solcher mündiger Bürger braucht es eigentlich, um einen Flieger verspätet abheben zu lassen? Um die Security-Performance von Terminal A zu ruinieren? Würde der Security-Wahn weiterhin auf der Tagesordnung stehen, wenn Flugzeuge ständig Gebühren für Verspätungen zahlen müssten?

    Ach so, wir brauchen doch Sicherheit. Ja, wohl wahr. Der Bundesgrenzschutz hat mir noch keine befriedigende Antwort darauf gegeben, wie die aktuelle Sicherheitskontrolle verhindern würde, daß ein Terrorist mit mindestens 12 Stunden McGypher-Fernsehkonsum nicht doch einen kapitalen Flammenwerfer oder Schneidbrenner aus Duty-Free-Rum, Silikonschlauch, Stahl-Kugelschreiber, einem Platinschmuckstück als Zünder und der medizinischen Sauerstoff-Gasflasche an Bord des Flugzeugs basteln würde. Oder der klassische 80er-Jahre-Drogenschmuggler-Film. Plastiksprengstoff in Kondomen verschluckt. Abführmittel als Aspirin gefälscht. Kommt doch dauernd vor, das mit den Kondomen und dem Kokain.

    Aber der Profiterrorist lacht sich vermutlich ins Fäustchen über die vergeudete Lebenszeit und verlorenen Wohlstand und vergeudete Lebensfreude des Westens... und kauft schon mal Dünger für die Ostseefähre seiner Wahl.

    Guten Flug in die Ferien! Und denken Sie dran: Immer nur einen Gegenstand pro Plastikschale - und nur nach Aufforderung, so lange bis der Schichtleiter der Sicherheitskontrolle weint. Und dann sagen Sie ihm: „Sie müssen doch nicht in der Flugbranche arbeiten. Sie könnten doch auch die Bahn wählen."

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