Donnerstag, 21. September 2006

Gaming Reviews - Sinnfrei?

JoystickDie Spieleindustrie feiert sich selbst und ihre Produkte gerne anhand der Ergebnisse von Spielepre- und -reviews. Bewertungen von jenseits "80%" sind für die Bewertenden ein "Muss", Ergebnisse unterhalb von 75% gelten in der Branche als "Bestrafung". Die schiere Menge an Ergebnissen von 95% und mehr lassen nicht selten bei den Verbrauchern den Verdacht auf finanzielle Transaktionen zwischen Hersteller und Bewerter aufkommen.

Die Susquehanna Financial Group (SIG) hat sich des Themas angenommen und analysiert, welche Rolle die Reviews von Spielen tatsächlich spielen. Anhand von 1.200 Titeln wurde analysiert, ob die Ratings der Spiele, die Ergebnisse der Reviews, einen Einfluss auf die Verkaufszahlen hatten. Bislang wurde in Marketing-, Publisher- und Handelskreisen davon ausgegangen, dass ein hohes Ergebnis im Review auch ein gutes Verkaufsergebnis zur Folge hätte. Entsprechend dringend waren Geldgeber und Investoren an hohen Reviewergebnissen interessiert.

Die Analytiker Jason Kraft und Chris Kwak fanden heraus, dass das nicht stimmt:
"Der Zusammenhang zwischen dem Rating eines Spiels (dem Metascore) und den verkauften Einheiten ist statistisch nicht signifikant."
Im Klartext bedeutet das, dass es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem Verkaufserfolg und der Bewertung durch die "Fachpresse" gibt. Entsprechend warnen Kraft und Kwak, dass es sehr viel mehr wirksame Faktoren für den Verkaufserfolg eines Titels gibt, als nur das etwaige Resultat irgendwelcher Reviews:
"Zum Beispiel können die Verkaufszahlen beeinflusst werden durch die Anzahl der vorhandenen System, dem Monat des Releases (Weihnachtszeit gegenüber Frühjahr), Pries, Wettbewerb, Popularität des Genres, Ermüdung des Franchise oder auch der Effektivität des Marketings. Zusätzlich kann der Ruf des Publishers eine Rolle spielen." "Zweifellos hat das Marketingbudget einen gewissen Einfluß. Vielleicht erklären die Ratings der Games noch am besten die Verkäufe, aber die Ratings sind dennoch nicht hilfreich."
Kraft und Kwak spielten eine ganze Reihe Szenarien durch, mit unterschiedlichen Genres und Titeln und vielen Ausgangsfaktoren. Am Ende läuft es aber immer auf dasselbe Ergebnis hinaus: Die Ratings der Reviews haben so gut wie keinen Einfluss auf die Verkaufszahlen. Über diese Ratings auf den Verkaufserfolg eines Titels im Vorraus zu kalkulieren ist nach Ansicht der beiden in den allermeisten Fällen wenig bis gar nicht zuverlässig und wahrscheinlich sogar wirtschaftlich gefährlich.

Die Analytiker raten deshalb Investoren dazu, einen Spieletitel, wenn überhaupt, dann anhand seines am ehesten vergleichbaren Gegenstückes am Markt zu bewerten. Wenn es ein neuer Titel ist, sollte der mit dem am ehesten vergleichbaren Titel verglichen werden. Ist es ein Nachfolger, sollte man es mit dem Vorgänger vergleichen. Aber selbst dann ist der Vergleich nicht unbedingt richtig und die Aussage über den Erfolg fast immer fraglich.

Das abschließende Urteil der beiden zum Thema "Reviews" fällt entsprechend trocken aus:
"Eine Theorie (in diesem Fall: Reviews spielen eine Rolle), die bei genauerem Hinsehen versagt, wird als Allgemeinwissen akzeptiert. Allgemeinwissen ist aber falsch. Wir haben dabei noch nicht einmal die Frage nach der Kausalität betrachtet, dass höhere Bewertungen zu besseren Verkäufen führen. Es gibt keinen Grund die Kausalität zu diskutieren, denn auch wenn Korrelation nicht gleich Kausalität ist, bedeutet die Abwesenheit von Korrelation in unserem Fall das Fehlen von Kausalität."
Es dürfte sehr interessant sein zu beobachten, was dieses Erkenntnis der durchaus angesehenen SIG für Folgen in der Branche haben wird. Nicht wenige Zeitschriften und Magazine und auch Webseiten leben in erster Linie von den Reviews der Spiele und der Vergabe von Ergebnissen und Titeln und Preisen. Es wurde auch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass das alles nicht ganz so neutral ist, wie der Leser bzw. Konsument das gerne annimmt, sondern dass hier ganz klar wirtschaftliche Interessen das Ergebnis diktieren.

Allerdings dürfte nun wahrscheinlich eine Seite dieser wirtschaftlichen Symbiose erkennen, dass man eventuell doch gar nicht so von der anderen Seite abhängig ist und das man das Geld doch besser woanders investieren sollte...

(Quelle: GameDaily)

1 Kommentar:

  1. Das könnte die Einnahmen vieler Online- und Printmagazinen ziemlich senken.

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