Donnerstag, 9. November 2006

Da ist einer auf dem Dach...

Mario M. auf dem Dach des Gefaengnisses in DresdenIn Dresden schafft es ein geständiger Vergewaltiger bei seinem Hofgang die Wächter zu überraschen und an der Fassade des Gefängnisgebäudes vier Stockwerke nach oben bis auf das Dach zu klettern. Dort bleibt er 20 Stunden lang, ohne Forderungen zu stellen oder konkret irgendetwas anzudrohen. Die Polizei setzt auf den Faktor Zeit und spielt relativ gelassen mit: Der Mann kann schließlich nicht abhauen, denn bis zur Außenmauer des Gefängnisses sind es 10 bis 15 Meter. Er kann auch außer sich selbst niemandem etwas tun, denn er hat weder Geiseln noch irgendwelche Waffen oder gefährlichen Gegenstände.

Die Bevölkerung ist fassungslos, wie der Mann überhaupt auf das Dach kommen konnte. Das Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) eine "peinliche Panne" einräumt, ist ja schonmal nicht schlecht, aber das beantwortet nicht die gestellte Frage. Die nämlich lautet, wie es überhaupt passieren kann, dass ein Häftling nicht nur seinen Bewachern entkommt, sondern auch noch vier(!) Stockwerke an einem Haus hochklettert? Über den Zustand des Gefängnisses und die Qualität des Personals (Ausbildung, Ausrüstung etc.) dürften jetzt hoffentlich genügend Zweifel aufgekommen sein, dass die schon lange fällige Revision der Haftanstalten mal endlich in Gang kommt. Und zwar bundesweit.

Eine Frage, die ich gerade jetzt immer wieder höre, lautet:
"Warum hat man 'den' nicht einfach 'runtergeschossen'?"
Warum sollte man? Außer sich selbst bedrohte er niemanden. In der Bundesrepublik ist - im Gegensatz zum alten Strafrecht der DDR - die Selbsttötung (und auch der Versuch) nicht strafbar. Es wäre auch etwas eigenartig zu argumentieren "weil sie sich umbringen wollen müssen wir sie leider erschießen". So fern jeglicher Vernunft ist trotz mancher gegenteiliger Eindrücke nicht einmal unser Rechtssystem.

Die Variante "SWAT vom Hubschrauber abseilen und von hinten überwältigen" ist zwar denkbar, aber warum der Aufstand? Ein solcher Einsatz ist nicht ganz ungefährlich und darüber hinaus auch noch ziemlich teuer. Da ist "abwarten, bis er einpennt" doch sehr viel streßfreier. Zumal das Auftauchen des Helikopters dann eventuell doch dazu führen könnte, dass der Mann springt. Genau das will man aber verhindern. "Aber da sind doch Sprungtücher..." Ja, an der Stelle, wo er stand, da waren wahrscheinlich Fallkissen oder ähnliches aufgestellt, aber der Mann hat Beine. Er kann laufen. Das Gebäude war mit Sicherheit nicht rundherum abgepolstert.

Letztendlich hat die Polizei wohl das Richtige getan. Es hat zwar etwas gedauert, aber am Ende hat man doch ein unblutiges und erfolgreiches Ende der Aktion erreicht. Das kann man wohl kaum als "Versagen" auslegen. Dieses Ziel dann auch noch gewaltlos zu erreichen, sollte den eingesetzten Kräften eigentlich sehr hoch angerechnet werden, denn das es anderswo auch anders geht - und das aus sehr viel geringfügigeren Gründen - haben wir erst gestern gesehen.

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