Freitag, 15. April 2011

Einkaufen (13)

Geiles Wetter, Zeit und Lust, was könntes das Alphatapir da wohl tun? Korrekt: City, shoppen. Da mir dank Gewichtsreduktion die Hosen vom Arsch rutschen, ist das mehr oder weniger unumgänglich. Über die Bewegungsinkompetenzen von Fußgängern in der Innenstadt brauche ich nicht viele Worte zu verlieren. Nur so viel: Ich hasse Langsamlatscher und Imwegrumsteher und wenn die meisten Leute so Autofahren, wie sie planlos durch die Gegend torkeln, wundert mich gar nichts mehr.

Auf meiner Suche nach geeignetem Beinkleid suchte ich mutig auch - und gerade - diejenigen Konsumtempel auf, bei denen es so richtig weh tut: Arschsprie, Läffas und Sä Schtingh. Jeder Laden für sich schon ein Erlebnis. Jene Einkaufserrungenschaft niederländischer Herkunft, den die hiesigen Eingeborenen in unvergleichlicher, lautmalerischer Kreativität "Sä Schtingh" heißen, besticht durch imposante Dunkelheit, moderne Musik und eine gewaltige Rolltreppeninstallation. Klar, Klamotten hat man dort auch, aber ich habe den Eindruck, dass irgendwie niemand deswegen dort hin geht.

Ich fand für mich zumindest ad hoc nichts Gefälliges und so verließ ich jene Stätte konsumtreibenden Handelns wieder, nur um an der Pforte zwei Frauen fortgeschrittenen Alters in ziemlich bunten und ziemlich "alternativen" Klamotten über den Haufen zu rennen - beinahe jedenfalls. Diese beiden standen nicht nur in malerischster Pracht mit ihren ausladenden Kehrseiten mitten im Weg, sie nahmen, in den Laden starrend und angeregt debattierend, nichts und niemanden wahr, mich am allerwenigsten.

Nun sind mir solch durch Schwerkraft und Massenträgheit besonders herausgeforderte Vertreterinnen der Gattung Frau mit ausgeprägten Symptomen von fortgeschrittener Wahrnehmungsstörung, gepaart mit intersubjektivem Kommunikationsdrang, durchaus geläufig. Normalerweise reagiere ich auf solche mit gut antrainierten Ausweichmanövern und vereinzelt streng sachlichen Kommentaren. In diesem Fall jedoch triggerte mich eine Kaskade von Schlüsselwörtern, bei denen ich ernsthaft Mühe hatte, mich nicht malerisch aufs Maul zu legen.
Frau 1: "Hier gibt es ja auch solch eine magische Treppe..."
Frau 2: "Und die Schwingungen der Knoten sind deutlich zu sehen."
Frau 1: "Ja. Sieh mal die Kraftlinien dort..."
Ich rang um Fassung. Wo war ich hier? Ich sah mich um.
Frau 1: "Dort hinten glühen die Chakren besonders stark."
Frau 2: "Sehr auffällig. Wie viele Bovis-Einheiten hier wohl gemessen werden?"
Boviswas? Hä? Ich ordnete meine Verwirrung meiner Neugierde unter und beschloss, diesen beiden meine volle Aufmerksamkeit zu widmen. Ich sah mich um. Was zur Hölle sahen diese beiden? Ich sah eine Rolltreppe, Neonbeleuchtung, Klamottenständer, eine Videowand... und Menschen. Ich wandte mich den beiden wieder zu. Neugierde siegt über Vorsicht.
Frau 2: *kramt in ihrem Umhängesack* "Die Kristalle müssten sehr starke Resonanzen zeigen. Wo hab ich nur...?!"
Frau 1: "Ich hab meinen Orion-Stab leider nicht dabei. Hast Du vielleicht...?"
Tapfer und auf alles gefasst beschloss ich mich einzumischen.
ich: "Entschuldigung, brauchen Sie Hilfe?"
Die Reaktion war selbst für mich überraschend: Ich wurde vollkommen ignoriert. Beide Frauen waren in ihren Packsäcken versunken und kramten darin herum, wohl auf der Suche nach irgendwas und brabbelten sich gegenseitig für mich vollkommen unverständliches Zeugs zu. Ich beschloss es noch einmal zu versuchen.
ich: "Entschuldigung?"
Wieder keine Reaktion. Die beiden blockierten jedoch inzwischen den nicht besonders großen Eingang und selbst wenn ich gewollt hätte: Ohne weiteres hätte ich gar nicht an den beiden vorbei gekonnt. Langsam wurde es auch langweilig. Ich schob meine Neugierde beiseite und hakte die beiden unter "Freaks" ab. Ich trat noch näher an die beiden heran. Weiter intensives Gewühle. Ich sprach sie nochmal an.
ich: "Hallo?"
Keine Reaktion. Sollte ich mich einfach hindurchzwängen? Oder gab es hier Dachlatten? Als Merkbschleuniger eignen die sich ja zuweilen hervorragend. Leider nein. Ich stellte mich unmittelbar vor die beiden. Sie konnten mich nicht übersehen. Ebenso könnte man versuchen, eine Wand zu übersehen, gingen mir die beiden doch bestenfalls bis zu den Schultern. Nichts passierte. Ich nahm mir vor, es ein letztes Mal zu versuchen. Deutlich und klar artikuliert gab ich meine Anwesenheit bekannt:
ich: "EY! ERDE AN TRULLAS! IHR STEHT IM WEG!"
Es zuckte. Köpfe ruckten aus den Tiefen der Jutesäcke empor und starrten suchend umher. Die beiden sahen sich fragend an und um. Ich konnte es nicht fassen. Ich stand keinen Meter von den beiden weg und sie sahen mich einfach nicht. Langsam wurde ich echt ungeduldig. Da kam mir eine Idee. Ich schaltete meine Tonlage ein paar Oktaven runter.
ich: "Der Meister erwartet Ehre."
Vier untertassengroße Augen starrten mich an.
ich: "Amon Ra verlangt Ehrerbietung vor seinem Priester!"
Die Augen erreichten das Format von Suppentellern.
ich: "Also?"
Hektisches Gefummel und Gestammel. Klamotten wurden gerichtet und nervös glattgestrichen. Ich wurde verstohlen taxiert.
ich: "WIRD DAS BALD MAL WAS?!"
Hektisch hoppelten die zwei aus dem Weg, eine links, eine rechts und stimmten irgendein leises, atonales Gesinge an. Dazu Gesten, Körperwackeln und... Fußtrappeln. Im Stand. Mir wurde mulmig. Ich schritt hoch erhobenen Hauptes und irgendwie ziemlich aufgeblasen durch den jetzt von zwei reichlich albernen Putten flankierten Eingang. Draußen setzte ich mir mit einer Geste, die James Sonny Crockett und Jack Crockett vor Neid hätte erblassen lassen meine Sonnenbrille auf, drehte mich zu den beiden um:
ich: "Das mir das nicht nochmal passiert. Ich erwarte heute Abend fünf Kristalle. Von jedem von Euch. Und nun dient der PFLICHT!"
Ich drehte mich um und ging meiner Wege. Nach einigen Metern sah ich mich um. Die beiden diskutierten aufgeregt und sahen immer wieder panisch in meine Richtung. Mitten auf der Straße (ok, Fußgängerzone...) stehend wandte ich mich ihnen zu, und hob meine Sonnenbrille an. Das Resultat war ... verblüffend: Lautes Quieken, Hochraffen der bunten Leinenröcke und Wegrennen in heller Panik, begleitet von wilden Gesten und offensichtlich auch irgendwelchen kruden ... ich vermute mal "Schutzgebeten".

Ich war zufrieden. Ich setzte meine Sonnenbrille wieder auf und ging mein Stammcafe besuchen und den Tag genießen.

Donnerstag, 14. April 2011

Untauglicher Versuch?

Mein neuer Lebensmittelpunkt ermöglicht es mir, die Bedürfnisse des täglichen Lebens mit dem Fahrrad zu beschaffen. Das ist grundsätzlich gut, weil ich so dazu komme, mich wieder an ernsthaftes Bewegen zu gewöhnen. So fuhr ich denn vorhin los, um den mich angähnenden Kühlschrank zu füllen und auch ein paar andere Dinge einzukaufen.

Ich erreichte ohne Herzinfarkt und Verkehrsunfall das Ziel meiner Konsumwünsche und verankerte mein Rad am Fahrradstand. Da ich aus zurückliegenden Erfahrungen weiß, wie kreativ manch Langfinger sein kann, schließe ich mein Fahrrad nicht nur ab, sondern auch an. Mit zwei Schlössern. Und da mir mehr als einmal der Sattel abhandenkam, ist auch der inzwischen mit einem Schloss gesichert. Teure Erfahrungen hinterlassen halt auch bei mir ihren Lerneffekt.

So ging ich denn meine Bedürfnisse befriedigen, was erstaunlich ereignislos verlief. Den Rucksack vollgepackt kam ich nach rekordverdächtigen 45 Minuten wieder raus. Ich schob den Einkaufswagen wieder zurück zur Sammelstelle. Dabei kam ich an dem Fahrradstand vorbei, wo auch mein Fahrrad meiner Rückkehr harrte. Offenbar hatte mein Fahrrad einen Fan gewonnen, was ich durchaus verstehen kann, denn mein Fahrrad gefällt mir sehr, warum also sollte es nicht auch anderen gefallen? Ob allerdings ausgerechnet diese Gestalt ein Autogramm wollte?

Der schlaksige Typ in seinen möglicherweise modischen, in jedem Fall aber sehr sehr teuren Sportklamotten war mir nicht nur wegen seines irgendwie heimlichtuerischen Verhaltens suspekt. Sein Cappy war hässlich wie die Nacht und bitte wer trägt heute noch Sneakers in kreischendem grün? Okay, über Geschmack lässt sich streiten, aber der ein wenig zu groß geratene Schraubendreher, mit dem er da an meinem Rad herumstand, machte mich dann doch etwas misstrauisch und mein Beschützerinstinkt meldete sich zu Wort. Andererseits... ich bin ja auch neugierig.

Neugierde siegt. Ich stellte den Einkaufswagen weg und beschloss, dass ich noch Zeit für eine Zigarette hätte. Ich stellte mich unauffällig so hin, dass ich genauso gut den dort ausgehängten Werbeprospekt hätte studieren können und beobachtete den sportiven Hauptdarsteller der heutigen Episode von "Jugend forscht". Offenbar hatte er mich als vollkommen ungefährlich abgehakt und wandte sich wieder meinem Rad zu.

Nun, vielleicht hätte ihm irgendwann irgendjemand erklären sollen, dass man heutzutage moderne Kabelschlösser ebenso wenig mit einem Schraubendreher und wildem Gefluche geöffnet bekommt, wie geschmiedete Steckbügelschlösser, aber hey, jeder macht seine eigenen Lernerfolge. Als er am Ende meiner Zigarette völlig frustriert dazu überging, sich am Sattel meines Rades zu vergreifen, war auch meine Geduld einigermaßen erschöpft.

Ich angelte mir mein Handy und wählte 110. Dem überaus freundlichen Herren am anderen Ende der Leitung erklärte ich einigermaßen belustigt die Situation. Unser Spitzensportler bemerkte inzwischen das Kabelschloss, das meinen Sattel sicherte, was seine Frustration deutlich steigerte. Ich gab am Telefon noch eine umfangreiche Personen- und Ortsbeschreibung ab und wies darauf hin, dass unser Profi wohl nicht mehr besonders lange verweilen würde, als in einem malerischen Akt epischer Choreografie links und rechts von mir zwei Polizisten wie aus dem Nichts heraus materialisierten.

Zu dritt standen wir nebeneinander, ich begrüßte die beiden freundlich und gab mich als "der Anrufer" zu erkennen. Mit schwer zu leugnender Belustigung sahen wir den zunehmend frustrierter werdenden Anstrengungen des Sportlers zu, doch wenigstens irgendwas von Wert vom Fahrrad entwenden zu können. Da war nur irgendwie nichts zu wollen. Aus Frust wollte er dem Besitzer - mir - dann doch wenigstens einen Denkzettel verpassen. Es ist ja schließlich eine Frechheit, der notleidenden Bevölkerung dieses unseren Landes nicht zu ermöglichen, das eigene Überleben durch Fahrraddiebstahl zu sichern! Diesen Protest muss man unbedingt dadurch mitteilen, dass das nicht entwendbare Fahrrad möglichst effektiv beschädigt wird.

Solche oder ähnliche Gedanken hegend trat er erst mal gegen mein Rad. Wir sahen uns das an und ich sagte zu den beiden Uniformträgern "Ich denke, nun ist es genug...", was die beiden Herren auch so sahen. Unser Spitzensportler holte gerade mit dem Schraubendreher aus und wollte ihn offensichtlich in den Sattel rammen. Einer der Uniformierten griff seinen erhobenen Arm, es gab ein kurzes, erstaunlich undramatisches Gerangel und unser verhinderter Fahrraddieb war ruhig gestellt. Zumindest körperlich. Handschellen sind da sehr hilfreich.

Der jetzt losbrechende Erguss an Beschimpfungen war schon erstaunlich:
Er: "Ihr schwanzlutschenden Faschistenbullen! Fickt lieber weiter eure minderjährigen Geschwister, statt harmlose Leute niederzuknüppeln, Ihr schwulen Fotzenlecker!"

Cop 1: "Faschistenbullen? Sie sollten besser den Mund halten, sonst kommen noch Anzeigen wegen Beleidigung oben drauf."

Er: "Du arschloses Pimmelsöhnchen einer lesbischen Pickelnutte! Du lutscht doch am Bahnhof jeden Schwanz für ein Parkticket!"

Cop 2: *mitschreibend* "War das 'Pimmelsöhnchen' oder 'Bimmelsöhnchen'?"

Er: "Dir pissesaufender Naziarschhure hat dein Vater doch die Bierflasche in den Arsch gesteckt, damit du zur Bullensau taugst! Dir gehört der Arsch zugenäht, damit Du nicht so aus dem Hals stinkst..."

Cop 2: *noch immer mitschreibend* "... 'Naziarschhure' ... 'Bullensau' ... weiter?"

Er (in meine Richtung): "Du pissgesichtiges Kapitalistenschwein! Nazi! Einen harmlosen Punk an die Bullen verpfeifen! Du Arschwichser! Dir schick ich die Kurden ins Haus!"

Cop 2: "...Arschwichser..."

Cop 1: "Los, rein da und Kopf zu." *stopft den Kerl in den Streifenwagen*
Beide kommen zu mir zurück. Ob ich Strafantrag stellen möchte. Klar, möchte ich. Ob ich den Herren im Streifenwagen kenne. Nein, kenne ich nicht. Meine Personalien angegeben, Strafantrag unterschrieben, beiden einen möglichst erträglichen Tag gewünscht, mich für die Unannehmlichkeiten, denen die beiden jetzt ja ausgesetzt sind, entschuldigt und mich freundlich verabschiedet.

Mit sehr gemischten Gefühlen fuhr ich meinen Einkauf nach Hause.



PS:

- Der Täter ist ebensowenig "Punk" wie ich.
- Der Täter ist "ohne Migrationshintergrund" und deutlich volljährig.
- Dem Fahrrad ist nichts passiert.
- Anzeige wird bzw. wurde erstattet wegen §§242/243 (Versuch), §§240/241, und §185 StGB.

Montag, 11. April 2011

Umzug - done.

Ich bin mal wieder umgezogen. Zum (mindestens) 26. Mal. Die Episode Wilhelmshaven ist vollendet und der damit verbundene Lebensabschnitt zu meinem großen Bedauern unwiderruflich beendet: Es hat nicht sein sollen. Leider. Es war trotzdem eine wunderschöne Zeit mit einem wundervollen Menschen. Danke, Sylvia.

Dennoch: Es ist vollbracht. Jedenfalls weitgehend. Ich lebe wieder in einer Wohnung und nicht mehr auf einer Baustelle und ich glaube, so langsam ist die Wohnung sogar richtig hübsch. Das bestätigen auch die, die mich jetzt schon besucht haben.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die mir so unglaublich tatkräftig geholfen haben.

An erster Stelle bedanke ich mich bei Jens. Ohne Dich wäre ich jetzt nicht und schon gar nicht hier. Danke. Ich hoffe, dass ich mich revanchieren kann.

Dann bedanke ich mich bei messju und meinem Bruder Andreas. Ihr beide habt etwas Großartiges geleistet und ich kann mich nicht genug bedanken für die Geduld, die gerade Ihr beide mit mir hattet und für die Mühen, die Ihr für mich auf Euch genommen habt.

Sarah, Dir danke ich für Deine unglaubliche Unterstützung im Großkampfeinsatz des Schlachtfeldes, das mal meine neue Wohnung werden sollte.

Hauke, auch Dir gebührt besonderer Dank. Du hast mich vollkommen überrascht und ich hoffe, dass ich Dich nicht zu sehr strapaziere.

Tom, Yvonne, Eike, Florian und Florian, Christoph, Astrid, Frank und Markus, Eure tatkräftige Hilfe kann ich nicht hoch genug würdigen.

Danke auch an Aletta für das Organisieren der Waschmaschine. Das war eine Punktlandung aus dem Lehrbuch.

Euch allen drücke ich meine tief empfundene Dankbarkeit aus. Ihr habt ein Wunder vollbracht. Danke. Ihr seid ganz besondere Menschen. Tausendmal danke.

Es wird jetzt Zeit sich wieder neu zu orientieren und zuzupacken. Ich weiß, dass ich noch nicht wieder zu 100% auf dem Damm bin und ich noch eine Weile brauche, um wieder zu Kräften zu kommen (Gibt es einen Fachbegriff für die spontan auftretende, temporäre, heftige Aversion gegen Farbeimer und Umzugskartons?) Meine neue Einkaufsumgebung verspricht interessante Erlebnisse und Oldenburg hat sich mit dem Neon-Club schon mal eine schöne Willkommensparty für mich geleistet. Wenn es jetzt noch warm wird draußen...

Ich möchte nicht zu viel versprechen, aber ich glaube, die Herde wird durchaus wieder Futter finden und verwerten. Ich bin mir nicht sicher, wie das aussehen wird und woraus dieses Futter bestehen wird. Ich weiss aber, dass sich hier wieder was tun wird.

Auf die eine oder andere Weise.