Freitag, 4. März 2011

Von A nach B

[Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Sven "DeichShaf" Wagner]

Ich bin seit Mitte des letzten Jahres motorisiert. Das ist für jemanden wie mich, der eigentlich von hervorragenden Möglichkeiten des öffentlichen Personennahverkehrs profitieren kann, nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Und so wundert es diejenigen, die mich kennen, auch kaum, dass ich bei der Anschaffung statt eines viel Sprit fressenden vierrädrigen Vehikels eben auf die sparsame 4-Takt Lösung mit zwei Rädern gesetzt habe.

50 Kubikzentimeter - ein Zylinder entfaltet dabei eine Kraft von 3,8 Pferdestärken. Für die fachlich weniger versierten: Nein, damit zieht man nicht die Wurst vom Teller. Die Beschleunigung entspricht in etwa der eines voll beladenen 30-Tonners. Die Endgeschwindigkeit beträgt - zumindest laut Tacho - 60km/h, was auch nicht unbedingt dazu beiträgt, ein Gefühl aufkommen zu lassen, als wäre man Valentino Rossi. Aber man kommt damit von A nach B. Man kann einfach am Stau vorbei fahren. Man bekommt den Inhalt eines Einkauswagens mit den Wocheneinkäufen im Stauraum vor dem Sitz, im Helmfach unter dem Sitz und im Topcase bequem untergebracht.

Das Fahrzeug ist steuerfrei, braucht dank allgemeiner Betriebserlaubnis nicht besonders zugelassen werden und kostet jährlich 125,- Euro Versicherung - Vollkasko inklusive. Auch der Verbrauch von nur wenig mehr als zwei Litern Superbenzin auf 100 Kilometer ist fürs Portemonnaie eine Wohltat. Alles in allem kommt mich das Teil etwa die Hälfte dessen, was das Monatsticket des Verkehrsverbundes hier kostet. Und dabei bin ich sogar noch schneller. Also alles eitel Sonnenschein, oder?

Leider nicht ganz: Der öffentliche Straßenverkehr heißt "öffentlich", weil eben jeder daran teilnehmen kann. Und es ist nicht so, dass es mir viel Freude macht, unter normalen Umständen in Hamburg unterwegs zu sein. Denn die meisten Fahrer von PKW und LKW glauben nach wie vor, ich wäre ein rollendes Hindernis und hätte auf der Straße nichts zu suchen.

Ein Beispiel?

Ich fahre auf einer 6-spurigen Straße ganz rechts, wie es sich gehört. An der nächsten Möglichkeit will ich links abbiegen. Also ordne ich mich im dichtesten Feierabendverkehr sehr frühzeitig entsprechend links ein. Das missfällt den Fahrern, die nun bei erlaubten 50km/h hinter mir mit 60km/h herfahren müssen, anstatt - wie sonst - mit 70 oder 80 oder manchmal sogar mehr zu fahren. Da gibt es dann Hupkonzerte, dichtes Auffahren, rechts-überholen, schneiden, ausbremsen und andere Nettigkeiten.

Oder auf dem Weg zur Arbeit über die Elbbrücken. Auf dem Teilstück ist 60km/h erlaubt. Etwa 500m *HINTER* den Elbbrücken beginnt die Autobahn wo 80 und später dann 100 erlaubt ist. Würde die Polizei vor der Brücke blitzen, wie das stadteinwärts der Fall ist, würde das Gerät in etwa 90% aller Autofahrer mit *MINDESTENS* 30km/h zu viel blitzen - und müsste dann in Folge Überhitzung vermutlich bald ausgetauscht werden... Ich selbst kann nun mal nicht schneller fahren und erlebe es dann mit schöner Regelmäßigkeit, dass mir andere Fahrzeuge mit "Sicherheitsabständen" folgen, die für eine Geschwindigkeit von 20km/h noch zu klein wären.

Ganz toll sind auch die Experten, die einen im fließenden Verkehr überholen. Auf einer Straße mit einer Fahrspur für jede Richtung. Und das obwohl die vor mir fahrenden Wagen langsamer unterwegs sind, als ich fahren könnte. Ausrede einiger Spezialisten: "Ich habs eilig". Oder "Ich will keinen stinkenden Roller vor mir haben" (ja doch, ehrlich, schon zu hören bekommen!). Großartig. Ein Zweitakter riecht anders, ohne Frage. Aber Viertakter eben nicht. Und meine bissige Replik "Mein Roller stinkt weniger als Sie selbst stinken" hilft dann natürlich nicht, die Stimmung zu entspannen.

Was mich aber in den allermeisten Fällen nervt und auch gefährdet ist die Tatsache, dass der seitliche Abstand beim Überholen einfach nicht eingehalten wird. Der bisherige Spitzenreiter hat es auf etwa 20 Zentimeter gebracht. Die Straßenverkehrsordnung sieht für das Überholen von Zweirädern einen seitlichen Mindestabstand von 1,50m vor. Und all das passiert in der großen Mehrzahl der Fälle, weil die Autofahrer gedankenlos durch die Gegend kutschieren.

Doch was tun?

Zunächst einmal hilft es vielfach, die Leute an der nächsten Ampel höflich anzusprechen, dass der seitliche Abstand beim Überholen für mich gefährlich ist, weil ich keine Knautschzone habe. Das wirkt vielfach. Häufig höre ich dann sogar tatsächlich eine kleine, selten sogar eine wirklich ernst gemeinte Entschuldigung. Die wenigen Fälle, in denen man mit den anderen nicht reden kann, sind keinen Mehraufwand wert - vielleicht sickert ja doch etwas ein, aber ich habe keine Lust mich mehr als nötig darüber aufzuregen.

Gegen Überholtwerden mit zu geringem seitlichen Abstand wehre ich mich mittlerweile so, dass ich auf breiteren Fahrstreifen das Überholtwerden dadurch verhindere, dass ich in der Mitte des Fahrstreifens fahre. Sofern dann doch einer überholen will, kann ich genug weit nach rechts ausweichen und behindere ihn so nicht und vermindere so auch die Gefahr für mich. Doof ist das (aus seiner Sicht) natürlich dann, wenn er wegen Gegenverkehrs nicht überholen kann. Aber bei erlaubten 50km/h und einer Geschwindigkeit von 60km/h hat er keinen Grund, sein Auto als Waffe gegen mich einzusetzen oder sauer zu sein.

Gegen den zu geringen Sicherheitsabstand beim Hinterherfahren kommt neben dem mittig auf einem Fahrstreifen zu fahren noch eine Methode zum Einsatz, die ich nicht so häufig anwenden muss, die aber überaus wirksam ist: Ich lasse durch betätigen meines Bremshebels die Bremsleuchte aufleuchten, ohne langsamer zu werden. Das zeigt häufig schon Werbung. Greift das nicht, verringere ich tatsächlich so lange die Geschwindigkeit, bis der Abstand zur gefahrenen Geschwidigkeit passt. Das wiederum ist eindeutig eine (strafbare) Behinderung, derer ich mich da schuldig mache. Aber es ist mir hundert Mal lieber, im Ernstfall unverletzt zu bleiben und dafür 20,- Euro Verwarngeld wegen Behinderung zu zahlen, als im Krankenhaus oder gar auf dem Friedhof zu landen.

Interessanter Weise sind dich sich entspannenden Dialoge an Ampeln nach einer solchen Aktion meist sehr kurz, wenn ich mich zu meiner vollen Größe aufrichte. Und erstaunlicher Weise kommt sogar so etwas wie Einsicht dazu, wenn ich kurz und ruhig sage, dass ich meine Geschwindigkeit nur seinem Sicherheitsabstand angepasst habe. Das Gebrülle "WIR HABEN RECHTSFAHRGEBOT" ignoriere ich getrost: Was will mir der Fahrer denn erzählen, weshalb er selbst auf der linken Spur unterwegs war?

Es ist übrigens nicht so, dass es weniger häufig Frauen sind, die rabiat im Straßenverkehr agieren. Die Anzahl selbst mag geringer sein, doch prozentual herrscht hier Gleichstand zwischen den Geschlechtern.

Es gibt leider kein Patentrezept dafür - außer auf den Motorroller zu verzichten. Oder auf einen PKW umzusteigen. Für ein großes Motorrad fehlt mir das Geld, was also auch keine Option ist, selbst wenn ich das durch den Besitz der Klasse A fahren darf.

Ich sehe irgendwie nicht ein, wieso ich mich an die Spielregeln halte und dafür quasi noch bestraft werde, während diejenigen, die die StVO mit Füßen treten, ungeschoren davon kommen.

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