Freitag, 4. März 2011

Guttenberg

Ich wurde in den letzten Tagen oft genug nach meiner Meinung zur "Causa Guttenberg" befragt. Ich möchte mich an der Diskussion nicht größer beteiligen, weil es die Sache einfach nicht wert ist - ganz abgesehen davon, dass ich gerade ganz andere Probleme habe: Der Umzug steht vor der Tür.

Darum hier die Antworten auf die mir am häufigsten gestellten Fragen:

* "Hältst Du den Rücktritt für "richtig"?"

Ja.

* "Sollte zu Guttenberg eine Chance auf eine Rückkehr in die Politik und in ein Ministeramt erhalten?"

Erstens halte ich es für vollkommen verfrüht, diese Frage jetzt zu diskutieren. Erst müssen die Vorwürfe gegen ihn, die zu seinem Rücktritt führten, in Gänze abgearbeitet werden. Danach kann man sich Gedanken über seine Rehabilitation machen. Zweitens hängt die Beantwortung dieser Frage maßgeblich davon ab, was bei den gegen Guttenberg anhängigen Strafanzeigen (und sonstigen Verfahren) herauskommt. Sollte sich herausstellen, dass Herr zu Guttenberg strafbare Handlungen begangen hat (u.a. Meineid, Urheberrechtsverstöße, Mißbrauch von Titeln etc.) und er deswegen rechtskräftig verurteilt werden, wäre ich gegen eine baldige Rückkehr in ein Amt als "Volksvertreter". Ob ihm diese Rückkehr in z. B. 10 Jahren offenstehen sollte, kann ich beim besten Willen jetzt nicht beantworten. Das hängt auch sehr davon ab, wie sich Herr zu Guttenberg in der Zukunft verhält.

* "Glaubst Du, dass zu Guttenberg einer "Schmierenkampagne" zum Opfer gefallen ist?"

Die Vorwürfe gegen ihn sind nicht erfunden, aus der Luft gegriffen oder abstrakt konstruiert, sondern sehr konkret und meiner Meinung nach sehr schwerwiegend. "Schmierenkampagne" halte ich deshalb für die falsche Denkrichtung. Da allerdings in diesem Jahr (2011) eine große Anzahl wichtiger Wahlen bevorstehen, nutzen alle politischen Parteien jedes greifbare Mittel, das dem politischen Gegenüber schadet. In sofern dürfte es nicht allzu vermessen sein anzunehmen, dass die Vorwürfe gegen ihn, aber auch seine Verteidigung zumindest instrumentalisiert wurden. Ob das Auffinden der wahrscheinlichen Plagiate in seiner Doktorarbeit zu diesem Zeitpunkt zufällig war, kann ich nicht beurteilen.

* "Was hältst Du von den Sympathiebekundungen, Facebookgruppen, Demonstrationen und so weiter, mit denen seine "Fans" verlangen, dass sein Rücktritt annuliert wird?"

Meine Meinung dazu fasst der Kommentar von haekelschwein, vom 2. März 2011 aus netzpolitik.org, ziemlich gut zusammen:
"Es bringt nichts, sich über unpolitische Menschen mit einfacherer Bildung lustig zu machen.

Was sollen die daraufhin tun, plötzlich klug werden? Wie soll das gehen?

Stattdessen muss man sie da abholen und annehmen, wo sie sich emotional und intellektuell befinden. Das ist nicht die abstrakte Welt dröger Politik mit ihren ellenlangen Diskussionen und meterhohen Papierstapeln, sondern es ist die Welt des Events, der Tat, der bewegenden Bilder.

Wer nur Boulevardmedien konsumiert, aber kaum seriöse Zeitungen oder Bücher liest, für den ist alles unterhalb von Superstars, Sensationen und Riesenwirbeln jenseits der Wahrnehmungsschwelle, für den gibt es nur total toll oder total scheiße.

Guttenberg war seit langem der erste Politiker, der es über die Wahrnehmungsschwelle dieser Bevölkerungsgruppe geschafft hat, alle übrigen verschwimmen in ihren Augen in derselben grauen Masse.

Dass er Politiker war, erschien aber nur als Anlass, über ihn zu berichten, nicht jedoch als Inhalt der Boulevardberichte. Deren Konsumenten interessieren sich auch nicht für Politik, sondern für schillernde Prominente.

Guttenbergs Beliebtheit bei dieser Schicht leidet deshalb auch nicht unter seinen Fehlern als Politiker, weil seine Fans gar nicht genau sagen könnten, worin dessen Politik eigentlich besteht, sondern sie sind sich lediglich sicher, dass ein Mensch, der ihnen derart sympathisch ist, auch auf diesem obskuren Feld namens Politik etwas Großes leistet.

Alle Gegenargumente, die Guttenbergs politische Versäumnisse aufzählen, verfangen deshalb nicht. Genauso wenig wie man einer verliebten Teenagerin den nichtsnutzigen Freund ausreden könnte, denn sie liebt ihn ja nicht wegen seines beruflichen Erfolgs. Im Gegenteil verstärkt man in beiden Fällen nur die Anziehung, weil man Trotz erzeugt und ein Bedürfnis, das Objekt seiner Liebe zu verteidigen.

Ein Großteil der Guttenberger scheint mir aus den Gruppen der Nichtwähler und der politisch Uninteressierten zu kommen und sich jetzt erstmals in eine politische Diskussion einzuschalten. Das erklärt auch, warum in vielen Foren so viele Neumitglieder ohne vorherige Beiträge sich für Guttenberg einsetzen. Das ist wohl kein Astroturfing, sondern die haben sich vorher eben nie für Politik interessiert, und jetzt interessieren sie sich zumindest für einen Politiker, allerdings auch nicht wegen dessen Politik, sondern wegen seiner Starqualitäten.

Dadurch unterscheiden sich diese Guttenberger auch von CSUlern. Die CSUler unterstützen Guttenberg, um ihre Politik nicht zu beschädigen. Die Guttenberger unterstützen Guttenbergs (unbekannte) Politik, um Guttenberg nicht zu beschädigen.

Statt Häme über die Guttenberger auszuschütten, sollten sich Bildungsbürger und etablierte Parteien überlegen, wie sie die Alltagspolitik verständlicher, aber auch mal spannender und begeisternder verkaufen könnten, damit nicht nur Buchstabenfresser sich dafür interessieren, sondern auch Menschen mit weniger Abstraktionsvermögen. Warum kann eine Regierungserklärung nicht so mitreißend sein wie eine Apple-Keynote? Man kann doch politische Themen auch mal mit Schwung und Begeisterung verkaufen. Die Boulevardmedien wiederum sollten sich fragen lassen, ob Personalisierung und ständiges emotionales Dauerfeuer der einzige Weg sein muss, die Zielgruppe anzusprechen, oder ob man nicht mal ein paar Gänge zurückschalten kann; wer ständig Überwürztes isst, verliert das Gespür für die feineren Geschmacksnuancen.

Nehmen wir also die Trauer der Guttenberger ernst, sie haben wirklich etwas verloren. Und das Verlorene sollte man ihnen auch zurückgeben, aber nicht in der Person Guttenbergs, sondern indem man ein wenig vom Auftreten und vom Verkäufertalent Guttenbergs in die für viele allzu graue Politikwelt übernimmt. Man kann von Guttenberg durchaus lernen, wie man Begeisterung erzeugt, wie man Tatkraft ausstrahlt, wie man Menschen für sich gewinnt. Das sind Dinge, die auch ehrliche Politiker durchaus plagiieren dürfen, und dabei muss die politische Substanz keineswegs auf der Strecke bleiben."

Quelle: http://www.netzpolitik.org/
* ""Hältst Du zu Guttenberg für einen herausragenden Politiker?"

Nein. Er ist ein Politiker wie viele andere. Ich halte aber sein Talent mit Medien umzugehen und sein Charisma zu nutzen und beides für seine Interessen einzuspannen für mindestens bemerkenswert.

* ""Hältst Du zu Guttenberg für einen schlechten Politiker?"

Nein (siehe oben). Er ist nicht schlechter als andere Politiker auch. Seine "herausragenden" Entscheidungen sind nicht frei von Kritik. Das gilt allerdings auch für die Entscheidungen anderer Politiker.

* "Hat die "Causa Guttenberg" Deine Meinung über "die Politik" in Deutschland verändert?"

Nein. Vielmehr hat diese Episode meine Meinung über Politik und Gesellschaft in vielen Punkten bestätigt. Das Drama um die mangelnde politische Bildung und das Unverständnis der gesellschaftlichen Prozesse in Deutschland wird gerade an diesem Fall besonders deutlich herausgestellt.

* "Würdest Du mir / meinem oder meiner Bekannten erklären, was da eigentlich gerade abgeht?"

Hier auf der Herde? Nein. Lade mich auf einige Bier ein, dann sehen wir weiter. Einen deutschen Aufsatz möchte ich zu dem Thema aber nicht verfassen, denn sonst komme ich in den nächsten vier Jahren zu gar nichts mehr.

1 Kommentar:

  1. Du könntest den Aufsatz doch einfach vom Pressedienst des Bundestages und anderen Stellen zusammenkopieren... *fbg*

    Was mich an Guttenberg fasziniert ist seine Art und Weise, wie er mit den Medien umgeht. Nein, keine Einsicht sondern mit dem Finger draufzeigen und - sinngemäß - sagen "Ihr seid Schuld, weil ihr über mich berichtet habt, anstatt über die gefallenen Soldaten zu berichten". Das Schlimme daran ist nicht nur, dass so etwas von der großen Mehrheit unreflektiert als die reine Wahrheit übernommen wird, nein, er geriert sich da ein weiteres Mal als Gutmensch, der seine Karriere dem höheren Wohl opfert.

    Man möchte angesichts einiger Verfechter Guttenbergs gepflegt "fazialpalmieren": Es ist vielen Leuten nicht bewusst, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, in einer Mathematik-Klassenarbeit der Oberstufe abzuschreiben, wo man im Ernstfall 90 Minuten Zeit versenkt hat, und wenn man das in einer Doktorarbeit tut. Eine ernsthafte Doktorarbeit, die *VOLLZEIT* entsteht - also 40 Stunden die Woche (oder mehr) - dauert mehrere *JAHRE*. Und deshalb wiegt ein Betrug hier um so viel schwerer und lässt zu Recht Zweifel daran aufkommen, ob dieser Betrüger integer genug ist, mich als Teil des Volkes zu vertreten.

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