Sonntag, 14. Februar 2010

Staat als Hehler?

Bei meiner morgendlichen Runde fand ich eine Aussage eines australischen Gerichts, die ich für zumindest bemerkenswert halte:
"copyright laws do not apply to collections of facts, regardless of the amount of effort that was spent collecting them."
Mit anderen Worten: Der Inhalt einer Datensammlung (Datenbank z. B.) ist in Australien dann nicht urheberrechtlich geschützt, wenn die darin stehenden Daten Fakten sind. Prominentestes Beispiel wären Adressbücher und Branchenverzeichnisse. Das fand ich schon bemerkenswert und dachte mir meinen Teil.

Dann jedoch fand ich an anderer Stelle folgendes:
"Da Daten anders als Autos oder Handys keine Sachen sind, kann man sie nicht stehlen. Und wo es keine gestohlene Ware gibt, da gibt es auch keine Hehlerei."

bayrische Justizministerin Beate Merk (CSU)
Und in der Tat: Die Dame hat Recht. Nach dem StGB §242 ist ein Diebstahl:
Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Der Knackpunkt ist tatsächlich der Begriff "bewegliche Sache". Das ist wortwörtlich zu nehmen. Was eine Sache ist, wird nach deutschem Recht über §90 BGB definiert. Dort heißt es:
§ 90 Begriff der Sache

Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
"Körperlich" bedeutet, salopp formuliert: "Wenn Du es anfassen kannst, ist es körperlich". Eine Sache ist nach dem Strafrecht "beweglich", wenn sie tatsächlich bewegt, von einem Ort an einen anderen gebracht werden kann. Den Tatbestand des Datendiebstahls wiederum kennt das deutsche Recht so nicht. In unserer Rechtsprechung ist die illegale Handhabung von Daten an die - man höre und staune - Verletzung des Briefgeheimnisses (§202 StGB) angehängt und in den §§ 202a bis 202c StGB zu finden. Auf den Fall der CD mit den Kontodaten angewandt kämen §202a oder §202b StGB zur Anwendung. Diese Paragraphen sind Spezialnormen und verweisen nicht auf den Diebstahl, d. h. es kann kein Diebstahl im Sinne des Gesetzes vorliegen.

Die Aussage der Ministerin, dass mangels Diebstahl keine Hehlerei gegeben sein kann, ist allerdings nicht ganz korrekt, denn §259 StGB führt zwar ausdrücklich den Diebstahl als Ursprungsstraftat an, jedoch steht dort ergänzend:
"(...) oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, (...)"
Damit sind alle illegalen Beschaffungswege abgedeckt. Der Haken ist allerdings auch hier die Sache, denn auch der §259 StGB setzt eine Sache voraus. Die CD mit den Daten ist ja nicht "gestohlen", sondern die Daten darauf wurden illegal beschafft. Das mag sich nach Wortklauberei anhören, aber genau solche Details sind in der Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung.

So gesehen könnte man denjenigen, der diese Daten verhökert, vielleicht wegen des Ausspähens von Daten (202a) oder wegen des Abfangens von Daten (202b) verknacken, aber denjenigen, der sich diese Daten kauft, kann man offenbar nach deutschem Recht nicht belangen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist genau diese Kombination aus geltendem Recht und nicht vorhandener Rechtsprechung auch der Grund, warum die Musikindustrie so sehr auf die Barrikaden geht. Sie spricht zwar von "Diebstahl", aber per jure ist das, was da passiert, "nur" eine Verletzung des Urheberrechts (siehe §106 Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) und kein Diebstahl.

Man lernt halt nie aus...

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