Sonntag, 28. Februar 2010

Liberale Grundrechte

Wenige werden bestreiten, dass das Internet eine Revolution war, die fast jeden Lebensbereich moderner Gesellschaften auf die eine oder andere Art tangiert. Für Menschen wie mich ist das Internet eine Selbstverständlichkeit geworden, zum Teil sogar eine Notwendigkeit des Alltags. Ich denke da insbesondere an die Kommunikation mit anderen, die ich ohne das Internet nicht nur nicht erreichen könnte, sondern wahrscheinlich auch nie kennengelernt hätte. In der Zeitspanne, die ich die Entwicklung des Netzes überschauen kann, haben sich extrem viele Dinge verändert und sehr viele dieser Veränderungen empfinde ich als sehr positiv. Andererseits sind auch Entwicklungen zu beobachten, die problematisch sind. Eine der wohl problematischsten Entwicklungen ist die Handhabung von personenbezogenen Daten.

Firmen und staatliche Stellen haben aus unterschiedlichen Gründen einen schier unstillbaren Datenhunger. In immer deutlicherem Umfang zeigt sich, dass Daten ohne Wissen und oft auch ohne Zustimmung des Anwenders aus unterschiedlichsten Bereichen zusammengeführt und genutzt werden. Firmen haben zum Beispiel ein enormes Interesse daran, über ihre tatsächlichen und potentiellen Kunden möglichst viel zu Wissen. Der Handel mit Daten ist nicht ohne Grund ein riesiger Wachstumsmarkt. Der Anwender steht dieser Zusammenführung oft hilflos gegenüber, denn will er verschiedene Dienstleistungen nutzen, bleibt ihm meistens nichts anderes übrig, als der Nutzung seiner persönlichen Daten durch den Anbieter zuzustimmen. Zwar hat er hier und da Auskunftsrechte und auch die Möglichkeit zum Widerspruch, aber ob das auch wirklich so eingehalten wird und von wem, das kann er meistens nur sehr indirekt überprüfen.

Dieses Problem betrifft nicht nur Deutschland, sondern alle. Im zunehmenden Maße wächst der Druck auf, aber auch das Eigeninteresse der Politiker weltweit, Regeln zu finden und Mechanismen zu schaffen, die dem Anwender zumindest einen Grundstock an Mitspracherecht einräumen. Heute wandte sich der amtierende Bundesminister des Innern, Thomas De Maizière (CDU), an die Öffentlichkeit:
"Selbstbestimmung im Netz setzt zudem voraus, dass Softwarehersteller und Diensteanbieter ihre wirtschaftliche Macht nicht ausnutzen und ausnutzen können. Die Nutzer müssen eine echte Wahl haben, ob sie etwa die Weitergabe ihrer Daten akzeptieren oder nicht. " "Die Privatautonomie ist ein hohes Gut und dient der freien Entfaltung der Persönlichkeit." "Zur Selbstbestimmung gehört auch die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle." "Das Wissen darüber, welche Wege die Daten genommen haben, ermöglicht mir, mein Verhalten gegebenenfalls zu überdenken und für die Zukunft zu ändern. Es ist zudem Voraussetzung für die Gewährung von Rechtsschutz, mit dem die Löschung von Daten, die Haftung bei Rechtsverletzungen oder gar strafrechtliche Sanktionen geltend gemacht werden können." "Schließlich muss der Einzelne die Wahl haben, wie er im Internet kommuniziert, ob er seine Identität preisgibt oder nicht. Es ist legitim und schützenswert, bestimmte Kommunikationsformen im Internet anonym oder unter einem Pseudonym zu nutzen."
De Maizière schlägt deshalb vor, dass sich Politiker, Vertreter der Wirtschaft und auch Anwender zusammensetzen und gemeinsam Methoden und Werkzeuge entwickeln, mit der dieser Anspruch umgesetzt werden kann.

Zur Zeit sieht es ja eher so aus, dass der Anwender im Netz nur mit Glück erfährt, dass seine Daten genutzt werden. In welchem Umfang sie genutzt werden, erfährt er meistens nicht und die Möglichkeiten zum Widerspruch sind begrenzt und oft unglaublich kompliziert. Der Anwender ist im Prinzip gezwungen, von jedem einzelnen Unternehmen entsprechende Informationen einzufordern. Aber wer weiß denn schon, welche Unternehmen Daten über ihn gesammelt haben? Wenn es darum geht zu erfahren, wohin diese Daten weitergegeben wurden, steht der Anwender auf verlorenem Posten. Zu Recht fordert De Maizière ein, dass die in der Verfassung garantierten Grundrechte zu achten sind und nicht nur für Firmen gelten, sondern eben für alle und dazu gehört auch der einzelne Anwender. Kaum jemand wird der Idee widersprechen, dass die Grundrechte nicht irgendein Fantasiegebilde sein dürfen und wer sich mit dem Problem der Sicherheit seiner persönlichen Daten befasst hat, wird auch sehr schnell zustimmen, dass hier enormer Nachholbedarf besteht.

Ach wirklich?

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, verkündete stellvertretend für die FDP als direkte Antwort auf den Vorschlag des Innenministers folgende Haltung:
"Ein solcher bürokratischer Aufwand, der mit hohen Kosten für die Unternehmen verbunden ist, ist durch nichts gerechtfertigt."
Die FDP ist der Ansicht, dass der vom Innenminister vorgeschlagene Ansatz viel zu bürokratisch ist. Natürlich sollten die Daten von Firmen "möglichst kostenlos" zur Verfügung gestellt werden. Eine Verpflichtung von Unternehmen diese Informationen ungefragt mitteilen zu müssen, lehnt sie aber kategorisch ab. Wer weiß denn schon, ob der Bürger das wirklich wissen will? Nachher fühlt er sich noch belästigt.

Diese Haltung verdeutlicht zwei grundlegende Einstellungen der FDP. Erstens: Grundrechte des Bürgers interessieren gefälligst einen Scheiß, wenn deren Einhaltung Firmen Geld kostet. Zweitens: Wenn der Bürger schon auf sein Recht bestehen können soll, dann darf es ihm doch bitte nicht zu einfach gemacht werden. Nachher reißt das noch ein und der Bürger kommt auf die Idee, seine Rechte oder gar den Grundsatz "gleiches Recht für alle" für bare Münze zu nehmen.

Ich meine, die Linkspartei lässt man vom Verfassungsschutz in manchen Bundesländern beobachten, weil man ihr nachsagt, dass einige ihrer Thesen nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung passen sollen. Wenn ich mir im direkten Vergleich jedoch anschaue, welche Haltung die FDP in aller Öffentlichkeit zum Thema Grundrechte einnimmt, dann frage ich mich, wie eine solche Partei allen ernstes als Bestandteil einer REGIERUNG auch nur eine Minute lang geduldet werden kann.

Vermutlich ist aber einfach nur mein Verständnis von Grundrechten nicht mit Deutschland zu vereinbaren.

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