Montag, 15. Februar 2010

Der falsche Klick

Das OLG Hamburg fällte heute ein Urteil (AZ: 2-27/09 REV), das bei vielen Computerbenutzern auf die eine oder andere Art für Aufmerksamkeit sorgen wird. In einem Verfahren, in dem es um den Besitz um Kinderpornographie ging, musste das OLG in einem Revisionsverfahren darüber entscheiden, ob es maßgeblich für den "Besitz" ist, dass die auf dem Computer gespeichert werden. Die bisherige Rechtsprechung urteilte, dass straffrei ausging, wer entsprechendes Material auf seinem Rechner betrachtete, ohne entsprechende Daten auf den Rechner herunterzuladen und zu speichern.

Nach Ansicht des OLG Hamburg ist bereits das Betrachten (!) von Kinderpornographie auf Internetseiten strafbar. Das Vorhandensein der Daten im Arbeitsspeicher eines Rechners, auch ohne manuelles Abspeichern, mache den Benutzer zum Besitzer der Daten im Sinne der Rechtsprechung. Nach Auffassung des OLG reicht das vorsätzliche (aka: das bewusste und gewollte) Abrufen und Betrachten von Daten mit kinderpornographischem Inhalt aus, um den Straftatbestand des Besitzes zu erfüllen. Nach Auffassung des Gerichts hat der Benutzer bereits beim Aufrufen der Daten die volle Verfügungsgewalt über diese Daten.

Der vorsitzende Richter G. Harder spricht dem Urteil eine große rechtspraktische Bedeutung für den Alltag zu. Der Wille des Gesetzgebers in Bezug auf den Begriff des "Besitzes" müsse auch bei nicht körperlichen Dingen wie Daten aus dem Internet gelten. Zwar habe der Gesetzgeber die Lücke erkannt, die politische Diskussion um dieses Problem jedoch eingeschlafen.

Ohne Frage hat dieses Urteil sehr weitreichende Konsequenzen. Wenn das Vorhandensein von Daten im Arbeitsspeicher des Rechners bereits den Besitz qualifiziert, dann gilt das nicht nur für Kinderpornographie. Das Urteil wurde zwar speziell für einen solchen Fall gesprochen, aber der Tenor ist das Entscheidende. Der Auffassung dieses Urteils folgend gilt der Besitz demnach auch für Webstreams, die auf einem Rechner abgespielt werden. Das wiederum dürfte besonders die Medienindustrie interessieren, der bereits seit langer Zeit Webradios und die in jüngerer Vergangenheit zunehmend beliebter werdenden Film-Portale ein Dorn im Auge sind.

Erhebliche Probleme dürfte es für den Benutzer geben, wenn es um die Frage des Vorsatzes geht. Wie will man nachweisen, dass man einen Link "aus Versehen" angeklickt hat oder wie will man beweisen, dass sich das Fenster ohne eigenes Zutun öffnete? Was wenn man gar nicht weiß, dass entsprechende Daten im Hintergrund über den eigenen Rechner transportiert werden, etwa weil man einen Proxy betreibt oder der eigene Rechner gehackt wurde? Zwar schafft das Urteil insofern Rechtssicherheit, als dass Kinderpornographie in Zukunft noch besser bekämpft werden kann, aber es schafft auch erhebliche Unsicherheit für den Anwender.

Ich frage mich ernsthaft, wie man als Anwender beweiserheblich dokumentieren und nachweisen soll, was auf dem Rechner mit Wissen und Wollen des Anwenders passiert. Ich meine, man hat ja schon wenig Einfluss darauf, was eine Webseite, die man öffnet, für Inhalte präsentiert. Wie soll ein Anwender, der keine Ahnung von Computern hat, nachweisen, dass er eben nicht weiß, was für Programme auf seinem Rechner installiert sind, geschweige denn, was diese tun?

Irgendjemand eine Idee?

2 Kommentare:

  1. einfach in minimal 2er wg's wohnen mit dem rechner in einem raum der immer für beide zugänglich ist und nur im internet surfen wenn minimal eine andere person im haushalt anwesend ist

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