Montag, 17. November 2008

Was ist los

Die Tapirherde liegt zur Zeit brach. Nicht etwa, weil die Welt langweilig geworden oder schlagartig zur Vernunft gekommen wäre. Nein, das nun eher nicht. Es ist auch nicht so, dass mir nichts mehr einfällt, über das ich schreiben könnte oder sollte oder vielleicht sogar müsste. Genügend Themen stehen da zur Auswahl, im Inland wie im Ausland. Trotzdem tut sich hier nichts und manche und mancher wird sich fragen: "Was ist da los?"

Es gibt wie so oft zwei Antworten. Eine kurze, einfache, leicht verständliche, die nur leider überwiegend falsch ist und eine lange, komplizierte, schwer zu verstehende. Ich versuche einen Mittelweg zwischen beiden Wegen zu finden, um wenigstens einigermaßen zu erklären und zu beantworten, was die Funkstille ausgelöst und welche Konsequenzen das alles möglicherweise hat. Ob mir das gelingt, steht auf einem anderen Blatt.

Als ich im Februar 2006 mit der Tapirherde anfing, geschah das vor allem deshalb, weil mir, nachdem ich aus sehr sehr vielen Gründen meinen Job als Communitymanager hingeworfen hatte, einfach langweilig war. Ich bin ein chronischer Workaholic und wenn ich zu lange nichts zu tun habe, werde ich unausstehlich. Aus einer "bekloppten Idee" und einer Bierlaune heraus sponn ich mir die Idee einer Webseite zusammen, die viele Interessen für viele Menschen abdecken sollte. Natürlich ein viel zu weit gesteckter Rahmen, dessen erste Konzeption den Kontakt mit dem Überprüfen der Möglichkeiten nicht überstand.

Statt ein komplettes System aufziehen zu müssen, mir zum x-ten Mal (ich kann es nicht mehr zählen wie oft...) den Ritt mit CMS, Server, Hostig, Template-, HTML, PHP, Java/-script und sonstigem Webgeferickel ans Knie zu nageln, entschied ich mich für eine "all in one" und "out of the box" Lösung für Nüsse. Denn Geld sollte der Spaß erstmal nicht kosten, schließlich weiß man ja nicht, ob es taugt. So entschied ich mich für ein Weblog und für Blogger. Beides Entscheidungen, die ich im Prinzip nicht bereue und so auch wieder träfe, auch wenn ich mehr als einmal wirklich laut geflucht habe. Trotzdem kann ich Blogger als preiswerten Dienstleister wirklich empfehlen.

Die Tapirherde entwickelte sich zu einem Sammelpunkt von allerlei Kuriosem und auch Politischem und gerade letzteres deckte sich sehr mit meinen Interessen, habe ich doch entsprechenden akademischen Hintergrund und bezeichne das Feld "Politik" nicht ohne Grund als eines meiner "interessenbasierten Hobbys". Hinzu kamen noch einige andere Faktoren. Blogger und Picasa gehen Hand in Hand, was mir nach Anschaffung meiner Kamera sehr zu Pass kam. Insgesamt: Tapirherde erfüllte einen Zweck.

Was mir immer fehlte und große Probleme bereitete, war das, weshalb ich mir den ganzen Ritt überhaupt gegeben hatte. Mir fehlte über weite Strecken die Interaktion mit dem Konsumenten, der Leserschaft. Es war mir immer ein Rätsel, ob überhaupt irgendjemand las, was ich so veröffentlichte und die Ergebnisse der Traffic-Messeinrichtungen waren auch nur zur Hälfte vertrauenswürdig. Über den tatsächlichen "Konsum" sagten sie wenig aus, über die Reaktionen beim Leser gar nichts.

Das führte schließlich dazu, dass ich irgendwann eine Art Vertrauensfrage stellte und seit dem kleckerten sich die Kommentare zu vereinzelten Beiträgen zusammen. Alas: Es waren immer dieselben 10, vielleicht 15 Leser, von denen ich Kommentare zu lesen bekam. Bei einigen weiß ich, dass sie ihre Kommentare schon fast "notgedrungen" posteten, um meiner Nörgelei zu entgehen. Aber egal wie: Ich bin dankbar für jeden geposteten Kommentar, denn der zeigt mir Richtung und Stimmung an, in die die Herde wandern will.

Das ging einige Zeit verhältnismäßig gut. Dann jedoch fiel mir an den Zugriffszahlen etwas auf: Derjenige Content, der mir wichtig war, fiel offensichtlich beim Publikum komplett durch. Die Zugriffszahlen fielen in den Keller. Slapstick und Klamauk hingegen zogen Traffic wie doof, nur war das genau der Content, den schon zig tausend andere Seiten im Web verwursten, wie Collegehumor, 4chan, phun und wie sie alle heißen. Das nahm immer mehr an Dramatik zu und Deutlichkeit zu, bis alleine die Zugriffszahlen mir deutlich sagten: "Poste nur noch unmögliche Videos, alles andere interessiert keine Sau."

Dann passierten in ganz kurzer Folge andere Dinge im "wirklichen Leben", die mich parallel zu dieser Entwicklung vollkommen aus der Bahn warfen. An drei Wochenenden nacheinander passierte folgendes: Annika verließ mich mit einer völlig haarsträubenden Begründung, meine Kamera verreckte wegen eines Konstruktionsfehlers, eine mir wichtige Freundin zog weit weg, bei mir wurde eingebrochen, ein langjähriger Weggefährte starb eines gewaltsamen Todes und in der Familie arteten die Probleme in furchteinflößende Katastrophen aus. Die Folgen für mich waren verheerend (und sind es noch) und ich möchte nicht weiter ins Detail gehen. Diejenigen, die es wissen wollen und wissen sollen, wissen um die Details. Der Rest möge sich begnügen mit: "Die Lage ist ernst. Äußerst ernst."

Trotzdem gelang es mir, mich irgendwann wieder irgendwie mit der Herde zu befassen. Es war inzwischen aber nicht einmal mehr für Hardcoreoptimisten schönzureden, dass der mir wichtige Content im Verhältnis von bis zu 3:1 beim Leser gegenüber dem niveaulosen Quatsch durchfiel. Also probierte ich es mit einer völlig anderen Linie. Ich griff rabiat und ungeschminkt einen Themenbereich auf, der in den deutschen Medien deutlich unterräprensentiert ist und extrem einseitig gefärbt und darüber hinaus auch noch unvollständig abgedeckt wird: Die 'Stan zum Beispiel. Oder Russland. "Andere" Krisenherde. Deutschlands schon fast fanatischer Glaube an den neuen Messias im Weißen Haus. Nachdem ich mehrere Rundumschläge mit meiner Ansicht nach Basiswissen über die aktuelle Lage verteilt hatte, wartete ich auf Reaktionen.

Um ehrlich zu sein: Ich warte noch immer und ich befürchte, dass ich in diesem Leben auch keine Reaktionen mehr erhalten werde. Ich glaube schlicht und ergreifend nicht mehr daran, dass da noch irgendwas kommt. Offensichtlich habe ich - das weiß ich aus ein paar ganz wenigen Gesprächen außerhalb der Herde - mit den meisten meiner Analysen nicht nur mitten im Schwarzen gelegen, ich habe auch in vielen Fällen Dinge angesprochen, die so nicht oder zumindest völlig anders bewusst waren. Trotzdem gab es nahezu null Feedback. Nehmt ihr wirklich alles einfach so ungefragt hin?

Die Herde ist eben nicht "eine weitere Quelle peinlicher Filmchen" (Hallo?! Youtube hat eine Suchfunktion. Benutzt sie gefälligst!) Die "bescheuerten Erfindungen" wurden auch nicht weniger, aber neue gab es dann auch nicht so wirklich. Das 816te USB-Device ohne Sinn, die 409te elektro-mechanische Fickhilfe... Hurra. Dinge, die die Welt weder braucht noch wirklich überrascht - ich konnte es einfach nicht mehr sehen. Dafür bekam ich aber von wirklich lieb meinenden Zuträgern "brandneue" Dinge zugetragen, die ich auf der Herde schon vor Jahren verwurstet hatte (Nein Jens, Du warst wirklich nicht der einzige, eher der letzte.)

Der seltene Diskurs, der sich insbesondere dann entwickelte, wenn ich mich über die Fantastereien des utopischen Kommunismus und der Neo-Linken Strömungen in der deutschen Politik ausließ, war die absolute Ausnahme. Interessanterweise blieben vergleichbare Reaktionen bei meinen Rundumschlägen gegen egal wie weit rechts komplett aus. Bei mir festigte sich ein Bild: Man konnte alles präsentieren, was man wollte. "Das Volk" interessiert es nicht, ob das nun stimmt, oder beinahe stimmt oder sogar von vorne bis hinten erstunken und erlogen ist. Es glaubt eh alles, solange nur irgendwann die Titten gezeigt werden und man selber nichts damit zu tun hat und nicht ausgerechnet in den eigenen Vorgarten gekackt wird. Genau das ist aber eben nicht, was das Ziel der Herde ist.

Und dann fiel es mir auf: Ich hatte einen Punkt erreicht, an dem sich meinen Ideen und meine Zielen von denen der Leser unüberwindbar weit entfernten. Ja, das Leben war noch immer irgendwo "albern" und ja, es gibt noch immer die gewaltigen Pappköppe, die mir beim Einkaufen das Leben schwer machen, wenn auch seit längerem nicht mehr so gravierend. Aber die Herde soll eben mehr. Die Herde soll zum selber denken anreizen. Es geht mir nicht darum, dass das, was ich schreibe, kritik- und kommentarlos hingenommen wird. Es geht auch nicht darum, dass ich erwarte, dass meine Meinung anderswo übernommen wird. Im Gegenteil. Vor nichts habe ich mehr Angst, als dass andere den Schwachsinn, den sie verzapfen, damit begründen, dass sie von mir gehört hätten, dass...

Ich weiß mit Sicherheit, dass die Tapirherde in ihrer Form als "Belustigung des vorbeiflanierenden Pöbels" für mich keine Bereicherung, sondern eine Belastung ist. Diese Belastung ist für mich untragbar. Ich sehe nicht ein, warum ich mir das antun sollte - was wahrscheinlich jetzt die paar treuen Leser, die genau deswegen zumindest hin und wieder mal vorbeigeschaut haben, bitter enttäuschen wird. Aber für Euch 5 oder 10 Leute destilliere ich meine Gedanken nicht in Textform. Sorry Leute, aber da hab ich dann doch Wichtigeres zu tun. Am Leben bleiben zum Beispiel.

Die Quintessenz ist deshalb die, dass ich offen zugebe nicht zu wissen, was ich tun soll oder tun werde oder tun kann. Es gibt noch so viele andere Dinge, die mich interessieren, die mir lohnenswert erscheinen, von denen ich zumindest irgendetwas haben könnte, auch wenn es nur beschissene zwei virtuelle Cents sind. Ich habe sogar ernsthaft erwogen selber nach Afghanistan zu gehen, um mir ein Bild von der Lage vor Ort zu machen - geht aber leider nicht, weil ich nicht genug Geld dafür habe und "die Medien" an mir wiederum auch nicht gerade so viel Interesse haben, dass sie mir das finanzieren würden. Das würde mir wenigstens einen Auftrag geben, einen Sinn.

Genau das ist es aber, was mir die Herde nicht gibt. Ich habe nichts davon. Gar nichts. Weder materiell, noch immateriell. Ruhm? Ehre? Anerkennung? Geld? Nein, all das habe ich von der Herde nicht. Nicht einmal Respekt, geschweige denn Dank. Dafür aber eine Menge Arbeit und zuweilen sogar Ärger, weil irgendjemand meint, sein verkorkstes Weltbild sei es wert mir zu drohen - Leute, wenn ihr den Sprit nicht vertragt, lasst die Finger davon.

Von denen, die ich erreichen will, bekomme ich gar nichts. Nicht einmal die Ansage, dass ich Unrecht hätte - Nein, Euch "der Kommunismus lebt!" Ideologen und radikale Linksautonome meine ich jetzt nicht. Ihr sucht keinen Diskurs, sondern El Dorado. Trotzdem hatte ich Spaß mit Euch und an Euren Beiträgen und deshalb gebührt auch Euch mein Dank. Hölle, ich bekam mehr wertvolles Feedback von Linksaußen und aus dem Ausland wurde ich gar gefragt, ob ich nicht für deren (Miliär-)blogs die Coverage über Bundeswehr und ihrer Auslandseinsätze übernehmen will. Von den Deutschen bekomme ich nicht mal die Frage gestellt, woher ich mein Wissen eigentlich nehme. Geht es nur mir so oder fällt gerade sonst noch irgendjemandem irgendetwas auf? Nein? Habe ich befürchtet.

Nunja. Langer Rede kurzer Sinn: Ich weiß, dass ich ein paar Leser habe, denen es um mehr geht als besagte peinliche Filme: Leute, IHR seid es, für die ich die Herde gemacht habe. Euch danke ich für Eure Treue. Diejenigen, die wegen "lustiger" Filmchen aus irgendwelchen verlinkten Forenbeiträgen hier auftauchten: Danke für den Traffic. Echtes Interesse und offene Beteiligung, egal ob nun Kritik, Fragen oder meinetwegen auch Zustimmung oder wenn es gar nicht anders geht meinetwegen auch Lob wäre mir mehr wert gewesen. Von allen Beteiligten. Trotzdem danke ich gerade Stefan und Thomas für ihre Mühen in "ihren" Foren.

Dennoch ist mir eine Kommentarquote von weniger als ein Kommentar alle 500 Leser einfach zu wenig Motivation. Und das ist für mich der springende Punkt: Mein Interesse und das Interesse der "Kundschaft" decken sich offenbar nicht. Oder besser: Nicht mehr. Die Massen wollen sich johlend über die peinlichen Momente anderer auf dem Boden wälzen, erkennen aber nicht in welcher vom Wahnsinn getriebenen Welt sie eigentlich Leben. Apropos Leben: Meins befindet sich im dramatischen Wandel und ich habe keine Ahnung, wohin die Reise bei mir geht. In Richtung "Zirkus" wohl eher nicht. Dazu sind weder die Welt noch mein Leben "lustig" genug und die Wunden zu tief.

Frohe Jagd. Tapirfleisch soll ja recht wohlschmeckend sein. Ihr braucht nur der Spur in den Dschungel zu folgen...