Donnerstag, 23. Oktober 2008

Wahlprobleme

JustiziaWir Deutschen halten uns für Demokraten und wir sind auch sehr darauf erpicht, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen. Dieses Recht verteidigen wir mit aller Härte und Entschlossenheit und halten es - nicht unbegründet - für einen zentralen Pfeiler unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Erfahren mussten das neulich erst die Moslems in aller Welt und auch die Kirche und andere konservative Politiker bekommen das regelmäßig wieder um die Ohren gehauen, wenn die Zurückhaltung fordern oder bestimmte Aussagen nicht dulden wollen. Man könnte meinen, dass "unser" Empfinden für Grundrechte gesund ist und deshalb auch unsere Demokratie auf einem stabilen Fundament steht.

Wie gesagt: Man könnte. Interessant wird die Debatte, wenn man die Meinungsfreiheit, die für zum Beispiel religionskritische Karikaturen oder für die Einführung des radikalen Kommunismus oder für militanten Widerstand gegen "den Staat" gerne in Anspruch genommen wird auf andere Meinungen und Ideen anwendet. Zum Beispiel auf die Ideen und Meinungen, die am rechten Rand des politischen Spektrums vertreten werden. Statt sich diesen Ideen zu stellen (egal wie verquer sie sind) und ihnen im Diskurs zu begegnen, reagiert Deutschland hysterisch und überempfindlich und will sofort alles verbieten.

Stellt man in dieser Situation die Frage nach der Meinungsfreiheit, ist man sofort mindestens ein Sympathisant, wenn nicht sogar ein aktiver Unterstützer der Faschisten. Nicht nur amerikaner reagieren auf diese Haltung mit Entsetzen und Unverständnis, denn mit "Logik" hat dieser Reflex gar nichts zu tun.

Im Osten Deutschlands hat man eh seine ganz eigene Erfahrung mit "den Rechten". Einerseits kennen die Lebensälteren die Machtbefugnisse des Staates und wissen daher, dass "Rechte" immer als "Gefälligkeit auf Zeit" verstanden werden müssen. Andererseits kennt man in Ostdeutschland aber auch die politische Rechte aus unangenehm persönlicher Erfahrung. Zwar hat man es bislang rein gar nicht geschafft, der Tendenz innerhalb der Bevölkerung in Richtung rechts Einhalt zu gebieten. Aber das bedeutet ja nicht, dass man das Problem nicht auch aus anderer Richtung lösen kann.

Aufklärung setzt voraus, dass Bildung vorhanden ist. Außerdem kostet das auch noch Geld und sehr viel Zeit. Zeit hat man zwar in Massen, aber an den anderen Faktoren mangelt es dann doch schon häufiger ganz erheblich. Im Ergebnis finden sich in zunehmend mehr Parlamenten Vertreter weit rechts außen anzusiedelnder politischer Gruppierungen und Parteien. Das passt den anderen Politikern gar nicht, denn eigentlich gibt es ja gar keine Rechten in Deutschland.

Darum kamen Ostdeutsche Politiker jetzt auf eine geniale Idee: Wenn sie die Bevölkerung schon nicht dazu zwingen können, die Rechten nicht zu wählen, dann verbieten sie eben den Rechten, sich zur Wahl aufstellen lassen. Und weil das ja eine einseitige Benachteiligung der Linksautonomen ist, macht man gleich einen Rundumschlag daraus und befreit pauschal alle "Extremisten" vom passiven Wahlrecht.

In der Praxis sieht das dann so aus: Den Anfang macht Mecklenburg-Vorpommern mit einer Änderung des Kommunalwahlgesetzes. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte am Donnerstag, Wahlausschüsse sollten künftig bei begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue von Bewerbern "Auskünfte" über sie vom Verfassungsschutz anfordern können. Wenn sich anhand dieser Auskünfte die Zweifel bestätigen, dann fehlt eindeutig eine Voraussetzung dafür, sich für ein politisches Amt wählen lassen zu können.

Zwar soll es keine Regelanfrage geben, aber wie das so ist mit dem Sollen. Es sollte ja auch keine Steuererhöhung wegen der Wiedervereinigung geben und der Solidaritätszuschlag sollte ja auch nur für ein paar Jahre eingeführt werden und Deutschland sollte auch mal eine Demokratie sein. Jedenfalls hat das Kabinett den Gesetzentwurf einstimmig beschlossen. Das Gesetz liegt jetzt im Landtag zur Beratung und Beschlussfassung. Sollte das Gesetz tatsächlich eingeführt werden, betrifft es die Direktwahl von rund 800 ehren- und hauptamtlichen Bürgermeistern und zwölf Landräten. Auch so kann man sich vor dem politischen Gegner schützen.

Das schon Anfang 2007 eingeführte zwingende Bekenntnis eines Bewerbers zur freiheitlich demokratischen Grundordnung scheint den Damen und Herren Politikern im Osten nicht auszureichen, um sich unliebsamer Mitbewerber zu entledigen. Darum greift man einfach zur Fremdbeurteilung. Das löst viele Probleme im Wettbewerb um die politischen Ämter und verhindert unliebsame Konkurrenz. Hat man diese Regelung nämlich erst einmal eingeführt, ist es ein Leichtes, die Ausschlusskriterien nach Belieben anzupassen.

Wer weiß, ob jemand, der mal im Halteverbot geparkt hat, überhaupt Bürgermeister sein kann? Und merkwürdige Telefonate ins arabische Ausland sind ja auch ein mehr als eindeutiger Hinweis auf eine verfassungsfeindliche Grundhaltung. Behaupten kann ein Bewerber ja schließlich viel. Von wegen Oma in Jordanien. Pah! Alles gelogen! Das ist eindeutig ein Verbrecher! Deshalb ist es doch viel zuverlässiger, wenn etablierte Politiker ihr Urteil über die sprechen dürfen, die ihnen nach dem Futtertrog trachten. Etablierte Politiker ordentlicher Parteien verstehen schließlich viel mehr davon als der Wähler. Sonst kommt nachher noch jeder auf die Idee, an der Politik mitwirken zu können.

So kann man Demokratie und Meinungsfreiheit natürlich auch verstehen...

(Quelle: NDR)

1 Kommentar:

  1. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie fühle ich mich an den Geschichtsunterricht, genauer die Weimarer Republik gegen Ende, erinnert. Soll das jetzt sowas wie der Aufstand der Anständigen darstellen?
    Ich kann mir abgesehen davon kaum vorstellen, dass das in irgendeiner Form noch Verfassungskonform ist. Armes BVerfG, wieder mal ein Haufen Arbeit für nix

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