Freitag, 4. Juli 2008

Hochzeit 2.0

HochzeitWer schon immer mal herausfinden wollte, wie es sich anfühlt verheiratet zu sein, ohne die üblichen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, der hat ab Januar 2009 dazu Gelegenheit. Nicht etwa im fernen Amerika oder irgendwo in Asien oder einer Bananenrepublik im Dschungel, sondern hier, in Deutschland. Eine Änderung der Personenstandsgesetzes ermöglicht diese neue Form der Lebenspartnerschaft, der "Ehe 2.0".

Wer sich trauen will, sich aber nicht so wirklich traut, der kann sich ab Januar 2009 durch einen Vertreter der Kirche den Bund fürs Leben absegnen lassen und das dann "Ehe" nennen, ohne die rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, die mit der Eheschließung im Standesamt verbunden sind. Damit fällt auch die Bestimmung, dass einer kirchlichen Trauung die standesamtliche vorausgehen muss, eine Regelung, die auf Bismarck und das Jahr 1876 zurückgeht.

Nicht verheimlicht werden darf aber auch, dass nicht nur die Verpflichtungen wegfallen. Wer in einer nicht vom Staat anerkannten Lebensgemeinschaft lebt, hat zum Beispiel auch Probleme im Erbrecht, beim Unterhalt, bei den Steuern, kein Zugewinnausgleich und auch keine Schutzvorschriften im Falle des Scheiterns der Gemeinschaft.

Den Kirchen passt diese Neuregelung verständlicher Weise nicht so recht in den Kram, wird doch ihre Rolle in der Gestaltung der Gesellschaft weiter marginalisiert. Ob andererseits diese "Ehe 2.0" zu einem (kleinen) Boom bei den kirchlichen Trauungen führen wird, bleibt offen, sind kirchliche Trauungen heutzutage doch unglaublich teuer.

(Quelle: dpa, Focus)

6 Kommentare:

  1. Ich mach jetzt mal was genaz Beklopptes, ich stelle die Frage, die niemals beantwortet werden kann wenn man sein Hirn auch nur sekundenweise einschaltet:
    Was ist der Sinn der Sache??? Dass endlich kirchliche und rituelle Hochzeiten ohne Staatssegen möglich sind, für all jene die das System so lieben?

    Ging (abgesehen von kirchlichen Hochzeiten) vorher auch, und wenn ich heiraten will ist mein Ansprechpartner ja eher das Standesamt. So einen Bund fürs Leben sollte man sich eben genau überlegen. Das untergräbt ja eigentlich den kompletten Sinn der Ehe. Meine Fresse, tut das weh...

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  2. Es geht bei dieser Gesetzesänderung ausschließlich um kirchliche Hochzeiten bei durch den Staat anerkannten Kirchen (das sind nicht alle Religionen dieser Welt, aber das nur am Rande), denen bislang nach Deutschem Recht eine besondere Stellung bei der Eheschließung zu kam: Pastoren/Priester waren u.a. bei Strafandrohung (Ordnungswidrigkeit, Bußgeld) verpflichtet, den Behörden sofort Mitteilung über die kirchliche Eheschließung zu machen.

    Das Ehepaar war andererseits zwingend verpflichtet, sich vor der kirchlichen Trauung standesamtlich trauen zu lassen. D.h. der staatliche Segen war Vorbedingung für den kirchlichen Segen. Das alles fällt jetzt weg und das wiederum ist ein Vorteil für alle Religionen, die sich darüber ausdrücklich freuen, haben sie doch selber genau das seit langer Zeit gefordert. Gleichzeitig sind jetzt in dieser Sache endlich alle Religionen gleichgestellt, denn keine kann für sich eine bevorzugte Behandlung oder Benachteiligung durch den Staat reklamieren.

    Über die damit einhergehende Trennung der Rechtsfolgen sind Kirchen und Religionen hingegen gar nicht glücklich, dann das marginalisiert nicht nur ihre Rolle im Staat. Diese konsequente Fortsetzung der Säkularisierung kostet die Kirchen nämlich bares Geld, weil sie zum Beispiel keine Gebühren mehr für einen Verwaltungsakt erheben können, denn der kirchliche Segen ist kein Verwaltungsakt mehr. Daraus folgt aber auch, dass die Eheschließung vor einem Pastor/Priester endgültig nicht mehr notwendig ist, um der Ehe als solche im außerkirchlichen Rechtsverkehr Gültigkeit zu verschaffen.

    Die gesellschaftliche Akzeptanz der "Ehe" ist davon unberührt und Sache jedes einzelnen Bürgers, dem die Kompetenz zugemutet wird, für sich selber zu entscheiden, welche Rolle die Religion für ihn spielen soll. Der Staat maßt sicheben nicht mehr an, dem Bürger diese Entscheidung abzunehmen. Der Zwang, vorher kirchlich heiraten zu müssen bedeutet nämlich auch, dass letztendlich der Staat darüber entscheidet, ob der Bürger überhaupt seine Lebensgemeinschaft kirchlich segnen lassen darf. Bisher galt ja: Keine Hochzeit im Standesamt - kein kirchlicher Segen.

    Zu unterscheiden ist deshalb einerseits der ideologische/emotionale "Sinn" des religiösen Segens für eine "ehe(ähn)liche Verbindung", der keinerlei rechtlich bindende Folgen hat und damit Sache eines jeden Einzelnen ist, in die der Staat nicht hineinzureden hat. Dem gegenüber steht andererseits der verbriefte und sogar international allgemeingültige Rechtsstatus einer Eheschließung nach Deutschem Recht, der unmittelbar bindende und verbindliche Rechtsfolgen hat - auch für die Kirchen.

    War "vorher" bei einer kirchlichen Trauung das Standesamt (der Staat, wenn man so will) zwingend involviert, ist jetzt nicht mehr so und auch das ist unmittelbarer Ausdruck der Trennung von Kirche und Staat: Religion ist nicht Sache des Staates, darum ist es dem Bürger überlassen, ob und welcher Religion er sich ausliefert. Andererseits sind Staatsangelegenheiten (das sind sehr zum Leidwesen der Kirchen eben auch die Rechte und Pflichten des Bürgers) nicht Sache der Religion.

    Insgesamt gewinnen die Kirchen mehr Freiheit im Handeln, verlieren dafür aber das von ihnen beanspruchte Geltungsmonopol der Institution "Ehe" an den Staat. Eine "unangenehme" Folge ist halt, dass man so oft heiraten kann, wie man lustig ist und wie es Religionen auf der Welt gibt, nur Rechtsfolgen außerhalb der Religionsgemeinschaft hat das keine.

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  3. OK, danke für die Erklärung. Jetzt macht das insgesamt (mehr) Sinn.
    Man könnte natürlich jetzt ewig diskutieren ob es nun gut oder schlecht ist, dass in einer auf christlichen Moralvorstellungen basierenden Gesellschaft die christlichen Religionen immer mehr an Einfluss verlieren. Aber das muss jeder für sich wissen. Ich denke, dass es so besser ist.

    Mein Zweifel ist eben nach wie vor mit der Möglichkeit, nun so oft heiraten zu können wie man eben will, ohne daraus "lernen" zu müssen/gewisse Pflichten, die nunmal eine Ehe prägen, einfach umgehen kann, begründet.

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  4. Darum ja auch der bewusst ironische Titel des Beitrags.

    Ich sehe gerade in meinem Kommentar oben einen Fehler. "Der Zwang, vorher kirchlich heiraten zu müssen..." muss natürlich heißen: "Der Zwang, vorher standesamtlich heiraten zu müssen..."

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  5. wetten das geht in synagogen oder moscheen nicht.^^ komischr weise haben wir immer noch eine staatskirche. XD

    aber mir fällt auf. solch dinnfreie gesetze werden sofort erlassen aber sinnvolle sachen werden immer nur angekündigt und brauchen ewig lange.

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  6. @adger
    Der Titel ist auch mehr als passend

    @anonym
    Staatskirche ist das nicht. Ich wurde bis jetzt nicht gezwungen katholisch oder sonst was zu werden. Dass die christlichen Kirchen einen gewissen Einflussbonus haben liegt daran, dass man mal dachte, dass so die im Abendland geltenden Moralvorstellungen gefestigt werden könnten. Niemand hätte damals, nach Ende des zweiten Weltkriegs, gedacht, dass unsere Gesellschaft dermaßen stark säkularisiert werden würde.

    Und wie gesagt, ob das gut oder schlecht ist kann man kaum objektiv beurteilen.

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