Sonntag, 19. August 2007

Service?

VWG gut ankommenKundendienst und Kundenfreundlichkeit sind zwei Attribute, die irgendwann in den späten 1990er Jahren erfunden wurden. So ca. ab Mitte 2005 wurde die Existenz dieser Begriffe sogar ansatzweise von Handel und Dienstleistungsgewerbe anerkannt und es wurde akzeptiert, dass man unmittelbar vom Sinngehalt dieser Begriffe betroffen sein könnte. Unter Umständen. Sozusagen ausnahmsweise. Es gibt jedoch Unternehmen, die sich auch heute noch hartnäckig dagegen wehren und standhaft auf der Position verharren, dass sie zu gar nichts verpflichtet sind und der Kunde gefälligst die Fresse zu halten und beliebig viel Geld abzudrücken habe - wobei eine Gegenleistung natürlich optional ist und im Idealfall natürlich ersatzlos ausfällt.

Ein solches Unternehmen ist die VWG Oldenburg. Der Betreiber des hiesigen Öffentlichen Personen Nahverkehrs gehört zu den Paradebeispielen der im Geschäftsdenken der frühen 1970er Jahre verbliebenen Unternehmen, für die Kunden in erster Linie Ballast, lästig und vor allen Dingen ein Störfaktor sind. Kundenfreundlichkeit ist für dieses Unternehmen etwas, das in erster Linie anderen Leuten anderswo passiert, zum Beispiel in der Antarktis oder auf dem Mars.

Da wird man zur Verköstigung allerlei interessanter Dinge zu Bekannten eingeladen. In Anbetracht der Wetterlage und der zu erwartenden Getränke erscheint es eine sinnvolle Idee, lieber gleich mit dem Bus zu fahren. Man lernt ja dazu, darum zeigen dutzende unfreundlichste Ausfälle des Fahrpersonals langsam Wirkung: Statt die ausgehängten Fahrpläne, die aktuelle Uhrzeit und das Eintreffen eines Busses in einen irgendwie logischen Zusammenhang zu stellen, informiert man sich erst im Internet, ob es nicht irgendwelche kardinalen Ausnahmesituationen gibt, die eine Änderung des Fahrplanes unverzichtbar machen.

Gesagt - getan: Keine Sondermeldungen, keine abweichenden Fahrpläne, alles "wie geplant", was in diesem Fall bedeutet: Um 15:47 Uhr fährt der Bus. Also hopp, hopp Geraffel gegriffen und los. Deutlich rechtzeitig trifft man an der Bushaltestelle ein und das anwesende, ebenfalls wartende Grüppchen verdeutlicht, dass noch kein Bus gefahren sein kann. Wunderbar. Vielleicht hätten mich die mitleidigen Willkommensblicke der Wartenden auf irgendetwas aufmerksam machen sollen?

Die vorgesehene Abfahrtzeit des Busses kommt - und geht auch wieder. Der Bus hingegen nicht. Aus der Vergangenheit an diverse "wir lassen mal diese Linie ausfallen"-Einfälle der VWG gewohnt, folgt der prüfende Blick auf den Fahrplan: Ja es könnte noch ein Bus kommen. In ca. 20 Minuten. Als nach 10 Minuten kein Bus da ist, rufe ich die Servicenummer der VWG an. Natürlich eine 01805-Nummer, damit der Kunde bloß nicht auf die Idee kommt, diese Nummer etwa auch zu benutzen. Ich hingegen wollte das sowieso schon immer mal ausprobieren.

Verbunden wurde ich mit einem Ansagekasper, der mich mit einem weiteren Ansagekasper verbindet. Zugegeben, sehr schnell. Nach nur knapp 30 Sekunden habe ich eine sehr freundliche Mitarbeiterin des Verkehrsverbundes Bremen Niedersachsen an der Strippe. Der erkläre ich, dass in Oldenburg mal wieder keine Busse fahren und bitte um Auskunft, wann sich die VWG denn gnädiger Weise in der Lage sieht, die wartenden Fahrgäste aufzusammeln. Die umstehenden Wartenden grinsen. Die Dame am Telefon ist verwirrt: Wieso Oldenburg?

Ich kläre sie auf. Hier an den Haltestellen hängen so Plakate. Mit Informationen zum Kun-Den-Dienst der VWG. Und da steht "Wenn sie Fragen haben, dann rufen sie uns an" und dann eben diese 01805-Nummer. Die Dame versteht. Das wiederum finde ich schon mal richtig toll, denn es ist ja Sonntagnachmittag und da ist die Option "Begreifen komplizierter Sachverhalte" nicht immer sofort bei jedem aktiviert. Jedenfalls erfragt sie wo ich denn genau sei und seit wann und so. Ich informierte sie. Sie las mir den Fahrplan vor, den ich bereits kannte.

Schließlich fasst sie zusammen: "Also der Bus um 47 ist nicht gekommen." Ich bestätige. Ein anderer Wartender Fahrgast in Spé informiert mich, dass der Bus um halb auch schon nicht gekommen sei. Ich gebe auch das an die Dame weiter. Sie tippt eifrig und informiert mich, dass ja laut Fahrplan "bald" wieder ein Bus kommen müsste. "Genau!" entgegne ich. "Es müsste einer kommen, nur der um Halb und der um 47 hätten auch kommen müssen. Eigentlich." Sie stimmt mir zu.

Was dann kommt, lässt mich fast aus den Latschen kippen: Sie wisse jetzt auch nicht so genau, was sie tun solle. Ihr Kollege hätte vorhin auch schon in der Leitstelle in Oldenburg angerufen und versucht etwas zu erfahren, der sei einfach weggedrückt worden. Man nehme hier auch nur die Anrufe entgegen, aber wirklich etwas machen könne und dürfe man gar nicht. Trotzdem wollte sie gerne für mich noch mal bei der Leitstelle nachfragen. Sie versprach Rückruf.

Wenige Minuten später, ich konnte es kaum fassen, rief mich die Dame tatsächlich zurück. Die Leitstelle meinte, so die Dame am Telefon, in Oldenburg sei gerade irrsinnig viel los und die Busse wären wegen eines Schützenfestes alle aufgehalten worden und hätten jetzt 15 Minuten Verspätung. Es war mittlerweile 15:55 Uhr. Ich überschlug: 15:30 plus 15 Minuten ergibt 15:45. Ich fragte nach: "15 Minuten?" Sie bestätigte: "Ja, 15 Minuten." Ich fragte sie nach der Uhrzeit. "15:55 Uhr" erwiderte die Dame. Ich fragte sie ganz konkret: "Weil die Busse 15 Minuten Verspätung haben, ist um 5 Minuten vor vier der Bus noch nicht da, der um halb vier hätte hier sein sollen?"

Sie stutzte. Ja also sie könne da jetzt auch nichts machen und mir auch nur sagen, was ihr die Leitstelle in Oldenburg gesagt hätte und es sei inzwischen auch beim VBN gut bekannt, dass die Mitarbeiter dort eher nicht freundlich und schon gar nicht auskunftswillig wären. Sie werde das jetzt alles notieren und weitergeben, aber mehr könne sie halt nicht tun. Ich fragte sie, was wir Wartenden denn jetzt davon zu halten hätten. Sie meinte, sie wisse selber, dass das wenig hilfreich sei, aber sie könne halt nichts tun. Vielleicht könnte man sich ja mal unter der Woche an die VWG wenden. Ich fragte sie, ob es soetwas wie eine Stelle für Presse und Öffentlichkeitsarbeit gäbe. Ja, sagte sie, mit der würde ich gerade telefonieren...

Wir beendeten das Gespräch und ich fragte sie, wie man denn darüber denke, wenn das alles in der Presse auftaucht. Sie erwiederte ganz unumwunden: Das sei der VWG scheißegal, denn schließlich interessiert nur, dass die Busse überhaupt irgendwann mal fahren. Ob die pünktlich fahren oder ob die Kunden zufrieden sind oder so, das interessiert niemanden bei diesem Unternehmen. So macht der Slogan der VWG "Gut ankommen" natürlich gleich sehr viel mehr Sinn.

Ach ja. Der Bus, der um zwei Minuten nach vier kommen sollte, kam nur wenige Minuten verspätet. Dafür dann gleich dreifach...

8 Kommentare:

  1. Unglaublich. Irgendwie scheint sich in Oldenburg eine Ballung von Inkompetenz zu befinden. Hier schaffen es KVG und RBB sogar, kurzfristig (=innerhalb 30 Minuten) Schienenersatzverkehr für ausgefallene Züge auf die Beine zu stellen, und bei ungeplanten Ausfällen von Linienbussen wird mit Fahrzeugen der lokalen Busreiseunternehmen kompensiert.

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  2. Absolut beeindruckend. Ich glaube, hier im Süden (beim VVS, Verkehrsverbund Stuttgart) ist mir sowas auch noch nicht untergekommen.

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  3. SWB fährt sogar eine halbe Stunde nach nem anständigen Unwetter wieder pünktlich.

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  4. Theoretisch bietet die VWG Ausgleich an, wenn Busse sich mehr als 15 Minuten verspäten.

    Theoretisch - denn die Nachweispflicht liegt natürlich beim Fahrgast, und wenn sogar die zentrale Hotline davon offenbar keine Ahnung hat, geschweige denn drauf hinweist, ist jeglicher Ausgleich natürlich utopisch.

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  5. Erstaunlich. Wenn Schneechaos herrscht, zeigen einem die Leuchttafeln an vielen Bushaltestellen in Hamburg nicht nur an, dass gerade Schneechaos herrscht, sodnern auch, dass die Busse verspätet fahren, und in wievielen Minuten mit dem nächsten Bus zu rechnen ist.

    Ähnliches bei der Hochbahn: Zug bleibt stecken? Kein Thema, vom nächsten betriebshof machen sich Busse auf den Weg und innerhalb der von khabarakh beschriebenen halben Stunde steht ein Ersatzverkehr. Im gleichen Takt wie die ausgefallene U-Bahnlinie.

    Und wenn man hier beim HVV die 19449 anruft, bekommt man je nach Verkehrsmittel (Hochbahn für U-Bahn, DB für S-Bahn, sowie eine Latte anderer Gesellschaften für verschiedene Busunternehmen) entweder sofort eine Auskunft oder man wird in die entsprechende Leitstelle direkt verbunden und darf sich dort direkt mit dem Dispatcher unterhalten.

    Was mich beispielsweise aufgeregt hat: Die Busse fahren nach einer Funkuhr. Aber nicht DCF-77 aus Braunschweig sondern ein eigenes Signal. Dumm nur, dass ebendiese Uhr über ein halbes Jahr hinweg 2 Minuten vor ging. Das bescherte mir (und anderen genervten Fahrgästen) mit großer Regelmäßigkeit ungewollte Wartezeiten beim Anschluss von der Bahn an den Bus. Die Bahn fährt nach DCF-77, der Bus zwei Minuten eher - unschön. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich fragte einen Busfahrer, was der Grund dafür sei, dass sie alle immer zwei Minuten zu früh abfahren würden. Er verwies auf sein Display - mit eben der Uhr, die funkgesteuert um zwei Minuten vor ging. Der Leitstelle ist dieser Missstand wohl unbekannt gewesen und ein freundlicher Hinweis darauf im Rahmen eines Telefonats ergab: Ja hups, da stellen wir mal flugs die Uhr richtig. Zwei Minuten Wartezeit für alle Busse an der nächsten Haltestelle und ab da stimmt der Fahrplan wieder.

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  6. Natürlich sagt die VWG zu, dass sie für Verspätungen aufkommt und Ersatz leistet. Zitat von der im Artikel verlinkten Seite: "Sollte ein Bus mehr als 15 Minuten Verspätung haben oder zu früh an einer Haltestelle abfahren, so hat der Kunde Anspruch auf ein TagesTicket in der jeweiligen Preisstufe."

    Der Haken liegt jedoch im Detail: "Der Anspruch entfällt allerdings, wenn unvorhersehbare Ereignisse wie Staus oder Demonstrationen zur Verspätung geführt haben, denn diese Ereignisse kann die VWG leider nicht beeinflussen."

    Zu Deutsch: Regresspflichtig ist die VWG nur dann, wenn ihr gerade keine Ausrede einfällt, denn wie will man als wartender Kunde beweisen, dass der sich verspätende Bus nicht gerade irgendwo im Stau gestanden hat?

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  7. Hier ist in der Umgebung ja bald Loveparade - bin mal gespannt, was da alles an Nahverkehrsnetz zusammenstürzt. Es flogen ja schon im Vorfeld die Fetzen...

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  8. typich vwg.
    das ist noch einer ihrer kleinsten frechheiten.
    noch lustiger ist wenn nicht mal halb volle busse an bushaltestellen mit wartenden fahrgästen einfach vorbei fahren.

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