Donnerstag, 22. März 2007

Die Uno, die Schule und das Fragezeichen (2)

JugendlicheLange Zeit war es still in der Debatte um die Schule in Deutschland. Doch gestern veröffentlichte der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf seine Einschätzung über das deutsche Schulsystem. Bereits lange vorher war bekannt, dass diese Einschätzung nicht gerade positiv ausfallen wird. Die erhobenen Vorwürfe waren trotzdem ein heftiger Schlag ins Gesicht für den Klüngelclub, der sich Kraft eigener Herrlichkeit anmaßt, als einziger in Deutschland Ahnung von der Schule zu haben.

Das deutsche Schulsystem ist, so Muñoz, diskriminierend. Es benachteiligt insbesondere sozial benachteiligte Schüler, Migrantenkinder und Kinder mit Behinderungen. Er ruft Deutschland deshalb auf, das dreigeteilte Schulsystem zu überdenken, um Ungleichheit und Chancenungerechtigkeit zu beseitigen:
"Ich glaube, dass das gegliederte System und die Art der Aufteilung der Schüler soziale Ungleichheit betont."
Muñoz kritisiert darüber hinaus die oft unklare Schulsituation von Kindern illegal in Deutschland lebender Familien und die unterschiedlichen Schulorganisationen in den 16 Bundesländern - jedes Bundesland regelt seine Schulsysteme im eigenen Saft, wodurch etliche grundlegend verschiedene Vorstellungen und Regularien existieren, welches Kind Zugang zu welchem Bildungsweg erhält.

Darüber hinaus bemängelt Muñoz die fehlende Durchlässigkeit zwischen den Schulformen, aber auch die Lehrerausbildung kritisiert er. Er verweist in dem Bericht auf die Pisa-Studie, in der Deutschland unter den Industrienationen den stärksten statistischen Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund und den Leistungen der Schüler aufweist. Er bezeichnet das deutsche Schulsystem deshalb von seiner Natur her als "ausschließend" und selektiv und könne so zu Diskriminierung führen. Das wiederum hängt vor allem mit der Aufteilung der Schüler auf verschiedene weiterführende Schulen in einem sehr frühen Alter zusammen, aber auch damit, dass die Kriterien für die Aufteilung in den einzelnen Bundesländern weder klar noch insgesamt einheitlich seien.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) wies die Kritik entschieden zurück. Nach Ansicht des KMK-Präsidenten Jürgen Zöllner gesteht Muñoz einerseits selber ein, dass es keine Hinweise auf einen schlüssigen Zusammenhang zwischen Schulsystem und Erfolg des Schulsystems gibt. Andererseits plädiert Muñoz aber für eine grundlegende Änderung der deutschen Schulstruktur. Na klar! Ein starker nachweisbarer Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und den Leistungen der Schüler hat natürlich gar nichts mit der Schule zu tun. Die KMK wies zudem den Vorwurf zurück, Kinder mit Behinderungen würden aus dem deutschen Schulsystem ausgegrenzt. Sonderschulen sind schließlich ein hervorragender Weg der Integration in die Gesellschaft, oder etwa nicht?

Zöllner erklärte, dass man sich einig sei, dass es
"eines der wichtigsten Ziele bei der Weiterentwicklung des deutschen Bildungssystems ist, die Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft aufzuheben und allen Kindern und Jugendlichen - gleich welcher Herkunft - die besten Chancen auf Bildung in Schule, Beruf oder Hochschule zu bieten"
Also wie jetzt? Eigentlich hat das alles nichts mit dem Schulsystem zu tun, aber man hat mal etwas am Schulsystem herumreformiert, um diese Auswirkungen zu mindern?

Wann greift endlich mal jemand durch und sorgt für ein vernünftiges, einheitliches Schulsystem, dass sich an den Schülern orientiert und nicht an den politischen Machtgelüsten irgendwelcher Weltfremden Bildungspatriarchen, denen es in erster Linie um die Sicherung eigener Pfründe geht? Was muss noch alles passieren, bevor auch der letzte kapiert, dass die KMK nicht hilft, sondern um jeden Preis blockiert und ausbremst? Wie deutlich muss es denn selbst der hochgeschätzte Herr Zöllner noch sagen? Reicht es nicht, dass er ausbleibende Reformerfolge im Schulwesen auf die ungewisse Zukunft mit den Worten vertröstet, dass es gerade in der Bildung nun mal einige Jahre dauere, bevor man Erfolge sehen könne?

Das dreigeteilte Schulsystem hat sich nicht bewährt. Deutschlands Ansätze einen nationalen Alleingang in der Bildung zu gehen darf man als auf breiter Front gescheitert ansehen. Erfolgreiche Bildungsnationen machen vor, wie moderne und erfolgreiche Bildungssysteme funktionieren. Warum wohl hat keine dieser Nationen ein solches Schulsystem wie wir? Aber es gibt ja keinen Zusammenhang zwischen Schulsystem und Bildungserfolg. Sicherlich. Es gibt ja auch keinen Zusammenhang zwischen Erdrotation und dem Untergang der Sonne.

Bildung ist der einzige Rohstoff, den wir im eigenen Land produzieren, mit dem wir wirklich was darstellen in der Welt. Unsere Bildung ist einer der wichtigsten Erfolgsschlager. Warum wohl haut jeder, der einigermaßen Grips im Schädel und die Möglichkeit dazu hat, bei erster sich bietender Gelegenheit ab? Warum schicken immer mehr ihren Nachwuchs auf private Bildungseinrichtungen oder auf solche im Ausland? Sicherlich nicht, weil das staatliche Bildungssystem so herausragend gut ist.

Dass das niemandem "da oben" auffällt und das niemand von den hohen Herren und Damen der Politik mal mit dem Hammer dazwischen haut, verschließt sich meinem Verständnis vollkommen, denn es geht hier nicht um "irgendwas", es geht um unsere Zukunft.

1 Kommentar:

  1. "Die Kultusministerkonferenz (KMK) wies die Kritik entschieden zurück." - Da ich auch selbst noch Schüler bin, löst sowas bei mir ganz unwohle Gefühle aus.
    Irgendwelche Personen haben da schon so viel Verantwortung über einen so großen Teil der Bevölkerung, der die Zukunft des Landes bedeutet, sind dabei aber meist sehr realitäts- und materiefern, und mit ihren Ideen und Reformen arbeiten sie nicht selten effizient über die weg, die es wirklich betrifft. Selbst, wenn man dahinter nicht gleich vermutet, dass die Leute keine Ahnung hätten; Das noch als "Schönheitsfehler" durchgehen lassen könnte, annehmen würde, dass es ja vielleicht alles nur gut gemeint wäre oder sogar nach gutem Gewissen entstünde - selbst dann kann es doch nicht angehen, dass man einem objektiven Gutachter erstmal ein sinngemäßes "Kritik, nich' mit uns!!" vor den Kopf klatscht, ohne auch nur den Ansatz von wirklicher Bearbeitung und Auseinandersetzung mit dem Kritisierten im eigenen Land zu zeigen. Spätestens da muss doch jeder merken, dass da einfach die falschen Leute das Sagen haben...

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