Mittwoch, 14. Februar 2007

Die Welt heute (2)

FragezeichenAn manchen Tagen scheinen die Nachrichten aus der Feder eines begnadeten Groteskenschreibers zu kommen. Heute zum Beispiel schlägt dem interessierten Leser der Schwachsinn dieser Welt wieder mit beiden Händen ins Gesicht. Einerseits verkünden der Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass deutsche Firmen ihre Geschäftslage so positiv wie seit über 15 Jahren nicht mehr beurteilen und deshalb ihre Wachstumsprognosen für die Wirtschaft auf rund 2% anheben, gleichzeitig verkündet Daimler, dass man bei Chrysler wohl mal eben so 10.000 Leute entlassen und Werke schließen wolle und eventuell sogar die ganze Firma verkaufen wird. Vorwärts die Wirtschaft, weg mit den Arbeitnehmern...

Ok, das ist vielleicht noch der ganz normale Wahnsinn der globalisierten Welt, aber dann war da noch die Bundesregierung unter Angela Merkel, die einst gegen das politische Gegenüber vor das Bundesverfassungsgericht zog und Klage gegen den Nachtragshaushalt 2004 einreichte. Jetzt, bloß drei Jahre später, beginnt die Verhandlung darüber und als Vertreter der Regierung muss sich wer äußern? Genau: Der Bundeskanzler. Und das ist wer? Genau. Angie. Angie klagt gegen Angie. Damit aber nicht genug. Nicht nur, dass die heutige Bundesregierung dem Gericht Rede und Antwort stehen muss, und nicht die damalige. Selbst wenn das Verfassungsgericht den Haushalt 2004 nachträglich für grundgesetzwidrig erklären sollte, hätte das wohl eher keine finanziellen Folgen. Aber das BVG könnte Vorgaben erlassen, was Regierungen zukünftig bei der Aufstellung von Haushalten zu beachten haben. Haben die sonst nix zu tun?

Irgendwann im vergangenen Jahr kam mal wieder die Debatte auf, dass die Deutschen langsam aussterben und es ging - typisch deutsch - die Suche nach den Schuldigen los. Hat es geholfen? Nicht wirklich, aber die WM brachte uns wohl einen kleinen Schubs nach vorne in der Geburtenstatistik, jedenfalls sind wohl alle Geburtsvorbereitungskurse (umgangssprachlich "Hechelkurse") neun Monate nach der WM voll ausgebucht. Berichtete jedenfalls dpa. Wäre doch angesichts der Pleite da in Sachsen in Sachen Fußball mal ein Ansatz für eine Werbekampagne: "Ficken statt kloppen - dank Fußball, für mehr Deutschland" oder so. Irgendwas, was auch der politischen Orientierung der Leute da nahe kommt. Jedenfalls hat das UN-Kinderhilfswerk der UNICEF untersucht, wie es in Industrienationen denn so um die Kinderfreundlichkeit der Länder steht.

Und was kam da heraus? Die Bundesrepublik erreichte beim Vergleich der 21 untersuchten Länder auf Platz elf. Grob im Mittelfeld. Heide Simonis, Chefin von UNICEF Deutschland, sagte dazu: "Deutschland steht überhaupt nicht gut da". Besorgniserregend wird das Risikoverhalten der Jugendlichen bewertet. In dem Punkt liegt Deutschland vor dem Inselkönigreich auf dem vorletzten Platz, hauptsächlich wegen des Rauchens und dem Alkohol. Deutschland rauchen mehr als 16% der 15-Jährigen mindestens einmal pro Woche. Das ist Platz 1 in der Statistik, in allen anderen Ländern rauchen weniger Kinder. Außerdem klagen fast 40% der befragten Kinder und Jugendlichen darüber, dass ihre Eltern nicht mit ihnen richtig reden.

Presse und Schueler der Ruetli SchuleKinder und Jugendliche fühlen sich eh generell nur missverstanden und von ihren Eltern genervt. Paradebeispiel ist die gerade vor sich hin schwelende Debatte über die sogenannten "Killerspiele" (Counter-Strike und Co.), in der sich die Erwachsenen gerade im großen Maßstab mit Ruhm bekleckern. Bayern will alle entmündigen und schon den Umgang mit dem Material generell mit Exkommunikation oder Todesstrafe (oder beidem!) ahnden, die Bundesregierung will immerhin Kinder und Jugendliche vor solcherlei Material "schützen". Brillianteste Idee bisher: Kassen sollen einen Signalton abgeben ("Red Alert" anybody?), wenn jemand ein solches Spiel kaufen will. Wie war das noch mit den Persönlichkeitsrechten?

Jedenfalls ist das Hauptargument ja, dass solche Spiele der Auslöser der Jugendgewalt wären und verweist voller Inbrunst auf die unüberschaubaren Massen Amok laufender Jugendlicher. Während die Debatte wie gewohnt schön weltfremd an allen Beteiligten vorbei läuft - unvergessen die Aussage aus Bayerns hoher Politik: "Ich muss solche Spiele nicht kennen, um zu wissen, das sie verboten gehören!" - schalten sich immer mehr mit ein und geben ihren Senf dazu. Neuester Brüller: Der Deutsche Kulturrat hat angemerkt, dass ein Verbot von Computerspielen im Stile des bayrischen Vorschlages ein wenig weit übers Ziel hinaus schießt: "Kunstfreiheit ist nicht an die Qualität des Werkes gebunden. Kunstfreiheit gilt auch für Computerspiele." Mit anderen Worten: Die Idee der Fachleute in Bayerns Politik widerspricht eklatant der Verfassung der Bundesrepublik. Warum wundert mich nicht, dass man ausgerechnet in Bayern der Verfassung erst im Nachhinein Beachtung schenkt?

FeuerwerkAber dafür dürften in Bayern heute aus anderem Grunde die Sektkorken knallen. Der BGH hat geurteilt, dass die sogenannte "Homo-Ehe" mit der "normalen Ehe" doch nicht ganz so gleichgestellt ist, wie es das Gesetz "angeblich" so vorschreibt - Ein Umstand, der in Bayern den Untergang der Welt befürchten ließ. Der BGH urteilte, dass das Grundgesetz eine Bevorzugung der "normalen Ehe" zulässt, denn diese Ehe dürfe wegen der Fortpflanzung und Erziehung eigenen Nachwuchses bevorzugt werden. Wer keine Probleme hat, der macht sich halt welche. Statt endlich mal für Ruhe und Rechtssicherheit in der Gesellschaft zu sorgen, macht man sich und den kommenden Generationen erstmal schön das Leben schwer. Prima! Weiter so!

Umso beruhigender, dass (in Bari, Italien) endlich der erste Parkplatz eröffnet wurde, auf dem man ungestört Fummeln und Pimpern kann. Endlich nicht mehr auf dunklen Waldwegen fernab der Zivilisation Befriedigung suchen. Die einzelnen Parkbuchten sind zu diesem Zweck mit Holzabsperrungen von einander abgetrennt. Paare dürfen am Valentinstag gratis den Parkplatz benutzen, ab Donnerstag soll der Spaß auf vier Rädern dann allerdings für eine Stunde drei Euro und für jede weitere halbe Stunde 1,50 Euro kosten.

Wen wundert es da, dass der US-Geheimdienst FBI mal wieder ein Laptop mit Namens- Adresslisten von Agenten "verloren" hat? Mich nicht.

(Quelle: Tagesschau, n-tv, N24, Heise, Tecchannel, dpa, ap und andere. Dank an GexMax.)

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